Salihs Rückkehr nach Jemen Palast oder Kerker?

Der jemenitische Präsident Salih ist fast so hartleibig wie der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi. Seit Freitag ist er wieder in Sanaa. Seine schwindende Anhängerschaft freut sich ebenso über seine Rückkehr wie die Oppositionellen, die ihn vor Gericht stellen wollen.

Es ist keine triumphale Rückkehr mit rotem Teppich und Blumenkindern. Ohne Ankündigung, während die Bewohner der Hauptstadt noch schlafen, schleicht sich Jemens Präsident Ali Abdullah Salih zurück in die Hauptstadt seines auseinanderbrechenden Reiches. Einige Soldaten feuern zwar in den Straßen von Sanaa Freudensalven ab, als sie von seiner Rückkehr erfahren. Doch die Zahl der Demonstranten, die ihm wenige Stunden später ihre Wut entgegenschleudern, ist deutlich größer. Salihs Gegner reiben sich ungläubig die Augen und fragen sich nun: Glaubt er wirklich, dass er sich mit neuen taktischen Spielchen noch bis zum Ende seiner Amtszeit 2013 an der Macht halten kann?

Fragt man die Menschen in Sanaa an diesem Tag, was sie über die Rückkehr ihres Präsidenten denken, ergibt sich ein durchwachsenes Bild. Salihs Kampfgenossen und die Profiteure seines Regimes hoffen, dass nun alles wieder wird wie früher. Einige Oppositionelle sind entsetzt, weil sie es lieber gesehen hätten, wenn Salih aus dem saudischen Exil seinen Rücktritt erklärt hätte.

Andere Regimegegner freuen sich dagegen, dass er wieder zurück ist, weil sie ihn vor Gericht stellen wollen. "Wir sind sehr optimistisch, denn jetzt kann er nicht mehr weglaufen vor der Justiz. Er wird das gleiche Schicksal haben wie (der ägyptische Ex-Präsident) Husni Mubarak", sagt der Menschenrechtsanwalt Chalid al-Ansi.

Auch in der südlichen Metropole Aden, wo die Menschen seit Ausbruch der Unruhen ständig unter Stromausfällen zu leiden haben, ist die Stimmung uneinheitlich. Anders als in Sanaa, wo nach dem Freitagsgebet Demonstranten die Straßen füllen, wagt sich in der einstigen Hauptstadt des sozialistischen Südjemen wegen der allgegenwärtigen Regierungstruppen hier kaum jemand aus dem Haus.

"Viele Menschen hier haben Angst, dass es erneut zu Spaltung und Krieg kommt, wenn Salih abtritt, deshalb wollen inzwischen sogar einige Salih-Gegner, dass er bleibt", sagt eine junge Aktivistin, die im Frühjahr zu den ersten Demonstranten gehört hatte, die gegen Salih auf die Straße gegangen waren. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung von Nord und Süd 1990 war sie noch ein Kind gewesen. Einen anderen Präsidenten als Salih hat sie nie erlebt.

Kurz vor seiner Rückkehr hatte ihn der saudische König Abdullah, der ihn nach dem Anschlag im Juni aufgenommen hatte, zu sich bestellt. Was die beiden konkret besprochen haben, wurde nicht öffentlich gemacht. Beobachter im Jemen halten es jedoch für möglich, dass Salih dem König versprochen hat, nach Sanaa zu fliegen, um dort seinen Rücktritt zu erklären - und später dann sein Wort zu brechen.

DPA
Anne-Beatrice Clasmann, DPA