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Schuldenkrise So hart trifft die Sparpolitik die Griechen

Die Hellenen mussten schon etliche Sparrunden verkraften. Auch das neue Programm verlangt ihnen viel ab. Hier ein Blick, wie und wo sich die Einsparungen auswirken.
Von Kai Beller

Die Griechen sollen noch einmal 3,3 Milliarden Euro sparen. So verlangt es die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Das klingt zwar im Verhältnis zu den enormen Rettungssummen nach nicht viel. Doch der drastische Sparkurs trifft die Wirtschaft des Landes und viele Griechen ins Mark. Ein Überblick über die Verlierer der Sparpolitik.

Rentner

Eine abermalige Rentenkürzung fällt den griechischen Politikern schwer. Die Troika verlangte eine Senkung der Zusatzrenten um 15 Prozent, wodurch 300 Mio. Euro eingespart werden sollen. Kurz vor einem Treffen der Euro-Gruppe lenkten die drei Regierungsparteien in Athen dann doch ein. Bis Mittwoch soll das Parlament konkrete Beschlüsse verabschieden.

Die griechischen Rentner mussten bereits in den vorangegangenen Sparrunden drastische Abstriche in Kauf nehmen. Erst im Herbst 2011 wurde bei den Pensionen alles, was 1000 Euro im Monat übersteigt, um 20 Prozent gekürzt. Auch Staatsdiener, frühere Bankangestellte und Arbeitnehmer von Staatsfirmen müssen mit weniger Geld auskommen.

Schon 2010 hatte die damalige Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou eine Rentenreform beschlossen. "Jetzt ist die Stunde der großen Wende", verkündete er damals. Das durchschnittliche Rentenalter wurde auf 65 Jahre und die Zahl der Beitragsjahre auf 40 erhöht. Außerdem wurde die Berechnungsgrundlage geändert, was faktisch einer Rentenkürzung gleichkam.

Mit den Reformen sollte das defizitäre Rentensystem saniert werden. Es gilt zudem als extrem betrugsanfällig. Vor kurzem teilte die Rentenkasse mit, sie habe die Auszahlung von insgesamt 63.500 Renten eingestellt, die zu Unrecht gewährt worden seien. Das Geld ging an nicht existierende oder nicht mehr lebende Personen oder wurde nach falschen Angaben berechnet. Im Herbst 2011 hatte der staatliche Rentenversicherer IKA mitgeteilt, dass in den vergangenen zehn Jahren bis zu 8 Mrd. Euro an nicht existierende oder längst gestorbene Personen überwiesen worden seien.

Öffentlicher Dienst

Der öffentliche Sektor in Griechenland gilt als aufgebläht, ineffizient und zu teuer. Die Troika drängt daher auf Reformen und Einschnitte, um Geld zu sparen. Jedes Sparpaket der Athener Regierung enthielt bisher Kürzungen bei den Staatsdienern. Trotz heftigen Widerstands der Gewerkschaften sind sie auch von der aktuellen Sparrunde nicht ausgenommen. So sollen bis Jahresende 15.000 Stellen bei den Behörden abgebaut werden. Außerdem ist eine Streichung des Urlaubsgeldes geplant.

Die Stellenstreichungen sind Teil eines Plans, bis 2015 rund 150.000 Stellen im Staatsdienst zu streichen. Bereits 2011 hatte sich die Regierung verpflichtet, 30.000 Beamte bis zum Jahresende in eine Arbeitsreserve mit geringerem Einkommen zu schicken – eine Art Vorruhestandsregelung. Das Ziel wurde jedoch verfehlt. Lediglich 10.000 Staatsbedienstete wurden von dem Programm erfasst.

Die Streichliste betrifft nicht nur die Behörden, sondern auch die gut 150 Staatsfirmen – von der Eisenbahn bis zum Energieversorger. Die Betriebe sollen privatisiert werden. Um für Käufer attraktiv zu sein, müssen sie sich von überflüssigem Personal trennen. Auch die üppigen Privilegien für die Beschäftigten dieser Betriebe sollen gestrichen werden.

Beschäftigte in der Privatwirtschaft

Auch Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft trifft das Sparprogramm hart. Sie müssen nicht nur die Steuererhöhungen verkraften, sondern auch Lohneinbußen hinnehmen. So soll der Mindestlohn, der derzeit bei rund 876 Euro pro Monat liegt um 22 Prozent auf rund 683 Euro gekürzt werden. Noch ärger erwischt es Arbeitnehmer unter 25 Jahren. Für diese Altersgruppe wird der Mindestlohn sogar um 30 Prozent gesenkt.

Der Mindestlohn, den jeder vierte griechische Arbeitnehmer erhält, ist in Griechenland von besonderer Bedeutung, da an ihn das Arbeitslosengeld gekoppelt ist. Die Unterstützung sinkt von heute monatlich 461 Euro auf 322 Euro. Sie wird in Griechenland nur zwölf Monate gezahlt. Danach gibt es kein Geld mehr für Arbeitslose.

Die Quote der Griechen ohne Job ist infolge der Krise auf knapp 21 Prozent geschnellt. Unter den Jugendlichen ist fast jeder Zweite ohne Beschäftigung. Armut greift um sich. Die Zahl der Obdachlosen ist seit Ausbruch der Krise gestiegen.

Wer noch einen Job hat, muss auf längere Sicht mit dem derzeitigen Einkommensniveau auskommen. Die Löhne sollen auf dem derzeitigen Stand eingefroren werden, bis sich Erfolge auf dem Arbeitsmarkt einstellen. Nach Ansicht der Troika ist das Lohnniveau im Vergleich zu anderen Ländern zu hoch. Mit niedrigeren Löhnen sollen die griechischen Unternehmen wieder wettbewerbsfähig werden.

Unternehmen

Auch die Firmen ächzen unter der Krise in ihrem Land. Laut einer Statistik der Wirtschaftsauskunftei Creditreform schnellte die Zahl der Unternehmenspleiten 2011 gegenüber dem Vorjahr um 27,3 Prozent auf 452 Fälle in die Höhe. Die Zahl könnte sogar noch höher liegen, da es laut Creditreform schwer ist, an verlässliche Daten zu kommen. Fest steht aber, dass sich die Finanzierungsbedingungen für die Betriebe wegen der Schuldenkrise drastisch verschlechtert haben.

Die griechische Wirtschaft gilt als nicht wettbewerbsfähig. "Es dominiert die Produktion überregional nicht handelbarer Güter, und die Betriebsstruktur des verarbeitenden Gewerbes ist stark von Klein- und Kleinstbetrieben geprägt. Große Unternehmen sind kaum zu finden", stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor kurzem fest. Auf zwei Arbeitnehmer komme ein Selbständiger.

Nach Ansicht von DIW-Experte Karl Brenke kann dem Land nur eine Wachstumsstrategie helfen- "insbesondere eine nachholende Industialisierung". Doch bisher dominiert die reine Sparpolitik. Die griechische Wirtschaft leidet unter dem staatlichen Sparzwang. Im vergangenen Jahr musste die Regierung in Athen ihre Investitionen um 700 Mio. Euro kürzen. Die Hälfte der Summe soll auf Dauer entfallen.

Auch auf ausländische Investitionen kann die griechische Wirtschaft nicht hoffen. "Im Moment investiert dort erst mal keiner weiter, weil niemand weiß, ob der Euro bleibt", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben.

Verbraucher

Die griechische Wirtschaft ist stark vom Binnenmarkt abhängig. Doch der private Konsum ist infolge der diversen Sparrunden stark rückläufig. Die Griechen leiden nicht nur unter den Einschnitten bei Löhnen und Renten, sondern auch unter diversen Steuererhöhungen.

Der Normalsatz bei der Mehrwertsteuer wurde in zwei Schritten auf 23 Prozent angehoben. Auch die Steuern auf Kraftstoff, Kraftfahrzeuge, Tabak und Spirituosen stiegen kräftig. Später kam noch eine Immobiliensteuer hinzu, die über die Stromrechnung eingezogen wird.

Für die Griechen bedeuten die Einschnitte und Steuererhöhungen einen erheblichen Verlust an Kaufkraft. Geschäfte und Restaurants bleiben leer - viele müssen schließen. Der Einzelhandelsverband ESEE berichtete von einem Umsatzrückgang um 30 Prozent im Weihnachtsgeschäft. "Neun von zehn Griechen haben weniger ausgegeben - nicht aus freien Stücken, sondern aus Not", hieß es.

FTD

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