Jobwechsel Sebastian Kurz heuert bei Trumps Ex-Berater Peter Thiel an – was wird das für eine Allianz?

Österreichs ehemaliger Kanzler Sebastian Kurz geht in die USA
Er ist dann mal weg: Nach dem Ende seiner politischen Karriere an der Spitze Österreichs zieht es Sebastian Kurz in die Vereinigten Staaten.
© Darko Bandic / AP / DPA
Sebastian Kurz kehrt Österreich beruflich den Rücken. Ihn zieht es weiter in die Arme einer umstrittenen Persönlichkeit. Medienberichten zufolge soll Kurz als Manager für den ehemaligen Trump-Berater Peter Thiel arbeiten. Was steckt dahinter?

Das Ermittlungsverfahren gegen Sebastian Kurz und seine Unterstützer ist noch nicht abgeschlossen, da setzt sich Österreichs Ex-Kanzler ins Ausland ab. Wie die "Kronen Zeitung" und "Heute" übereinstimmend berichten, soll der 35-Jährige künftig als "Global Strategist" beim Investmentfonds Thiel Capital arbeiten. Das habe Kurz beiden Blättern gegenüber bestätigt. Dass sich Sebastian Kurz beruflich umorientiert, munkelte die Presse bereits seit Wochen. Anlass hierfür gaben unter anderem zwei Auslandsreisen in die USA und nach Irland.

Jüngsten Gerüchten zufolge soll Kurz künftig beim US-Datenanalysten Palantir tätig sein. Beide Unternehmen wurden von dem Tech-Investor und Milliardär Peter Thiel gegründet. Das Unternehmen dementierte die Gerüchte allerdings. "Sebastian Kurz wird nicht bei Palantir arbeiten", wird Jan Hiesserich, Strategie- und Kommunikationschef von Palantir in Europa von österreichischen Medien zitiert. Solange das Ermittlungsverfahren gegen Kurz laufe, sei ein Engagement bei einem börsennotierten Konzern auszuschließen, berichtet das Blatt "Die Presse". Eine Anstellung würde den Compliance-Regeln widersprechen.

In Österreich läuft derzeit noch ein Großverfahren gegen Kurz. Auslöser war eine umstrittene Vorstandsbesetzung bei dem Unternehmen Casino Austria. Mittlerweile ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in zwei weiteren Faktenkomplexen. Zum einen soll Kurz im Juni 2020 vor dem Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt haben. Belastet wird der Ex-Kanzler zudem durch die Anschuldigung, sich 2016/17 an die Spitze der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Republik geschummelt zu haben. Hierfür soll Kurz mithilfe von Kollegen geschönte Umfragen in Auftrag gegeben und damit die Berichterstattung beeinflusst haben. Finanziert wurde dies mit Steuergeldern, so der Vorwurf. Kurz weist dies bis heute zurück.

Sebastian Kurz twittert jetzt auf Englisch

Nachdem Kurz im Oktober zunächst seinen Posten als Kanzler aufgegeben hatte und als Fraktions- und Parteivorsitzender einen Schritt zur Seite tat, kündigte er Anfang Dezember an, sich gänzlich aus der Politik zurückzuziehen. Seine Leidenschaft habe nach den Vorwürfen gegen ihn abgenommen. Zudem freue er sich auf die Zeit mit seiner Familie und seinem neugeborenen Sohn, begründete Kurz seine Entscheidung. Wie viel Zeit ihm am Ende für die Familie bleibt, ist fraglich. Als Manager bei Thiel Capital soll er künftig zwischen den Vereinigten Staaten und Europa pendeln, wie die Zeitung "Österreich" berichtet.

Dass sich Kurz ins Ausland absetzt, konnte man bereits an seinem Twitter-Account erahnen. Dort hatte er zuletzt immer wieder auf Englisch getwittert – zunächst über seinen Rücktritt, später waren es Weihnachtswünsche, die Kurz über das soziale Netzwerk in die Welt setzte. Mit Blick auf die vergangenen Jahre eher unüblich, denn Kurz twitterte nur dann in englischer Sprache, wenn er sich mit Vertretern anderer Länder traf, um sich etwa bei ihnen für die Treffen zu bedanken. Weihnachtswünsche richtete der charismatische Ex-Kanzler stets auf Deutsch an die österreichische Bevölkerung.

Auch dass Kurz künftig mit dem ursprünglich aus Frankfurt stammenden Investor und Milliardär Peter Thiel zusammenarbeitet, ist keine große Überraschung. Kurz und Thiel kennen sich bereits seit mehreren Jahren. 2017 trafen sich die beiden auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Per Twitter bedankte sich Kurz, damals noch österreichischer Außenminister, für das Kennenlernen und die Diskussionen über die globale Digitalisierung.

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Peter Thiel: Großspender, Trump-Berater und Tech-Gigant

Peter Thiel, geboren in Frankfurt am Main und verheiratet mit dem Finanzexperten Matt Danzeisen, ist eine bekannte Persönlichkeit im Silicon Valley und nicht nur wegen seiner politischen Ausrichtung umstritten. 2016 förderte er mit einer Spende den Wahlkampf von Donald Trump. Kurzzeitig agierte er als dessen Berater. Die Nähe zu den US-Republikanern pflegt Thiel weiterhin – etwa in Form von Spenden.

So bei Blake Masters. Der 35-Jährige leitet das Tech-Unternehmen Thiel Capital und die Thiel Foundation und möchte im kommenden Jahr für die US-Republikaner in den Senat einziehen. Informationen des "Handelsblatt" zufolge soll Thiel zehn Millionen US-Dollar in ein sogenanntes Political Action Committe (PAC) eingezahlt haben, um Masters die Nominierung im Bundesstaat Arizona zu sichern. Eine vergleichbare Summe brachte Thiel auf, um den republikanischen Kandidaten J. D. Vance in Ohio zu unterstützen. Laut "Politico" handelt es sich um die größten politischen Spenden, die Thiel jemals verteilt haben soll. Dem "Handelsblatt" zufolge ist Thiel "auf dem besten Weg, einer der wichtigsten politischen Strippenzieher der USA zu werden".

Thiels eigentlicher Arbeitsplatz ist jedoch das kalifornische Silicon Valley, wo er zahlreiche Firmen aufgebaut hat und unterstützt. Er ist unter anderem Mitbegründet der Datenanalystenfirma Palantir und des Online-Bezahldienstes Paypal. Zudem war er Kapitalgeber für Facebook und sitzt heute in dessen Vorstand. Mit dem Founders Fund unterstützt er Unternehmen wie SpaceX und Airbnb.

In einem Interview mit der "Time" bezeichnete der Journalist und Biograph von Peter Thiel, Max Chafkin, den Tech-Unternehmer als "die wichtigste Person im Silicon Valley". Gleichzeitig gebe es Grund dafür, die Macht von Thiel zu fürchten. In seinem Buch schreibt Chafkin, Thiel sei verantwortlich für die Ideologie des Silicon Valley, wonach "der technologische Fortschritt unablässig vorangetrieben werden soll, mit wenig oder gar keiner Rücksichtnahme auf mögliche Kosten und Gefahren für die Gesellschaft" – Themen, die zwei Whistleblowerinnen im Herbst dem Konzern Facebook vorgeworfen hatten.

Nach Chafkin steht Thiel für eine Reorganisation der Gesellschaft, in der alle Macht von Start-ups und Milliardären ausgeht. Die Demokratie gilt als veraltet, seine libertäre Denkweise propagiert der Unternehmer unter anderem in seinem Buch "Zero to One". "Für ihn sind Monopole gut, Ein-Mann-Herrschaften effizient und Gründer von Hightech-Firmen gottähnlich", beschreibt Chafkin die Ideologie in seiner Biographie.

Anders sieht das offenbar die Schirrmacher-Stiftung. Sie ehrte Thiel für sein "umfassendes Wirken in der Analyse der Chancen und Risiken des technologischen Fortschritts" mit dem Schirrmacher Preis 2021. "Ohne Rücksicht auf bestehende Denkverbote" habe er "intellektuelle Impulse gesetzt" und damit "die aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen in den unterschiedlichsten Bereichen" bereichert. Die Laudatio sollte Sebastian Kurz halten – wegen des Ermittlungsverfahrens kam es jedoch nicht dazu.

Bafin verbietet "Thiel Capital" Depotgeschäft in Deutschland

Thiels Interesse ist nicht nur auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Nach "Standard"-Informationen sollen seine Investmentunternehmen bereits an etlichen europäischen Unternehmen beteiligt sein – unter anderem an der Tesla-Produktion bei Berlin. Denkbar ist, dass Thiel Kurz wegen seiner guten Kontakte zu osteuropäischen Regierungen angeheuert hat. Als Globaler Stratege im Unternehmen Thiel Capital könnte Kurz das Feld für Thiel erweitern.

So viel über Kurz' neuen Chef bekannt ist, so wenig weiß man doch über das Unternehmen, für das Österreichs Ex-Kanzler arbeiten wird. Informationen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (Bafin) zufolge hat Thiel Capital drei Geschäftssitze in den USA, Großbritannien und Schweden. Das Unternehmen soll bei den Kunden gezielt für den Kauf von Aktien werben, um diese zu verwalten. Das Depot müssen die Kunden selbst anlegen. Mit diesem sogenannten Depotgeschäft war Thiel Capital bei der Bafin negativ aufgefallen. Um derartige Geschäfte in Deutschland abwickeln zu können, bedarf es einer Erlaubnis, über die Thiel Capital nach Angaben der Bafin aber nicht verfügt. Das Unternehmen "handelt daher unerlaubt". Die Bafin hatte im Frühjahr deshalb angeordnet, die betriebenen Depotgeschäfte sofort einzustellen.

Dubios sind auch die widersprüchlichen Angaben über das Unternehmen selbst. Nach Bafin-Angaben gebe es keine Hinweise darauf, dass zwischen Peter Thiel und der Unternehmen Thiel Capital eine Verbindung besteht. Auch die von der Bafin genannten Links zur Website der Firma (thiel-capital.com und thiel-capitals.com) sind nicht abrufbar. Bei einer reinen Internetrecherche landet man schnell auf einer Seite – die allerdings nicht die gewünschten Informationen enthält. Auf der Seite prangt lediglich der Name "Thiel" in großen schwarzen Lettern auf einem weißen Hintergrund. Ansonsten ist die Seite leer – Unternehmenswerbung, Impressum, Fehlanzeige.

Fündig wird man indes auf dem Berufsnetzwerk LinkedIn. Dort heißt es, Thiel Capital sei ein Privatunternehmen von Peter Thiel mit Sitz in West Hollywood. Die Firma am Sunset Boulevard beschäftigt den auf LinkedIn hinterlegten Angaben zufolge zwischen 11 und 50 Personen. Als verwandte Unternehmen werden unter anderem Founders Fund, Valar Ventures und The Thiel Foundation genannt – Unternehmen, die von Peter Thiel gegründet wurden.

Medienberichten zufolge wird Sebastian Kurz seine neue Stelle als Global Strategist bei Thiel Capital im ersten Quartal des neuen Jahres antreten. Bis dahin will der jüngste Altkanzler die Zeit mit seiner Familie genießen.