Sicherheitspolitik Nach Trumps Absage an Nato-Partner: Ist die nukleare Aufrüstung Europas alternativlos?

Kanzler Olaf Scholz muss sich wie andere seiner europäischen Kolleginnen und Kollegen über die zukünftige Verteidigungskraft und das Abschreckungspotenzial Europas Gedanken machen
Kanzler Olaf Scholz muss sich wie andere seiner europäischen Kolleginnen und Kollegen über die zukünftige Verteidigungskraft und das Abschreckungspotenzial Europas Gedanken machen
© David Hecker / Getty Images
Um die Wehrhaftigkeit Europas ist es schlecht bestellt. Was tun? Im stern-Interview spricht Sicherheitsexperte Christian Mölling über Versäumnisse der Vergangenheit, die Unberechenbarkeit von Trump und Putin und die Frage, ob Atombomben für Europa eine realistische Lösung sind.

Herr Mölling, die europäischen Regierungschefs zeigten sich geschockt von Trumps Äußerungen, er würde Europa im Bündnisfall nicht bedingungslos schützen. Sind sie es auch?
Nein, eigentlich nicht. Solche Sprüche hat er ja schon in seiner letzten Amtszeit gebracht.

Im November haben Sie ein Papier vorgelegt, in dem sie sagen, dass ein Angriff Putins auf NATO-Mitgliedsländer nicht ausgeschlossen sei. Ist die Gefahr seit Trumps Äußerungen gestiegen?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist dieser Mann noch kein Präsident und wir werden sehen, ob er es überhaupt werden wird. Bei all den Gerichtsverfahren, die noch ausstehen, ist das nicht gewiss. Zum jetzigen Zeitpunkt steigt die Kriegsgefahr nicht. Aber man muss endlich damit beginnen, darüber nachzudenken, wie sich Europa alleine verteidigen kann, auch wenn das dann ganz anders sein wird als mit den Amerikanern.

Hören Sie zum Thema auch die neue Ausgabe des stern-Podcasts "Die Lage – International". Im Gespräch mit Stefan Schmitz warnt Sicherheitsexperte Christian Mölling vor einer Debatte um eine atomare Bewaffnung Deutschlands. Er sagt: "Es zeigt sich, was für eine hysterischer Debatte wir über solche Themen wir in Deutschland haben können – das ist weit von dem entfernt, was überhaupt nur realistisch ist."

Trump hat Putin ermutigt, zu tun, was er wolle. Sind wir Putin schutzlos ausgeliefert?
Das wäre eine Übertreibung. Wir sind schon in der Lage Gegenwehr zu organisieren. Ein Krieg Russlands nur mit Europa hätte auch ohne Beistand der USA globale Konsequenzen. Weder Putin noch die Europäer operieren in einem isolierten geopolitischen Raum. Aber wir müssen beginnen, darüber nachzudenken, wie ein europäischer Weg der Abschreckung funktionieren kann. Das heißt, wir müssen die Lücken, die die Amerikaner reißen, schließen. Das wird risikoreicher sein. Es macht jedenfalls Sinn, mal ins Arsenal zu schauen, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Wenn die Ukrainer das gemacht hätten, wären sie nach drei Tagen erledigt gewesen.

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