So sieht also eine Privatreise von Sigmar Gabriel aus. Schon kurz nach seiner Ankunft in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang wird der SPD-Bundestagsabgeordnete von einem der wichtigsten Außenpolitiker des totalitären Staates empfangen: Ri Su Yong, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Obersten Volksversammlung.
Kurze Zeit später meldet die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA: "Der oberste Führer Kim Jong Un hat ein Geschenk von Sigmar Hartmut Gabriel erhalten, dem früheren Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, der Mitglied des Deutschen Bundestages ist und die DVRK (Demokratische Volksrepublik Korea) besucht." Das Geschenk habe Ri stellvertretend entgegengenommen. Um was es sich handelt, verrät die Staatsagentur nicht.
Ob Gabriel auch - wie sonst bei Erstbesuchen ausländischer Politiker in Nordkorea üblich - gleich nach seiner Ankunft einen Kranz an den 20 Meter hohen Bronzestatuen für den in Nordkorea gottähnlich verehrten Staatsgründer Kim Il Sung und seinen Sohn und Nachfolger Kim Jong Il niedergelegt hat, ist nicht überliefert. Nach einer "privaten" Reise, wie Gabriel sie vor seinem Abflug tituliert hatte, sieht das alles aber so oder so nicht aus.
Sigmar Gabriel rechtfertigt sich mit Donald Trump
Um seine Reise zu rechtfertigen, hat Gabriel ausgerechnet US-Präsident Donald Trump bemüht. "Nachdem Donald Trump sich zweimal mit dem Diktator dort getroffen hat, finde ich, kann man mal gucken", sagte er vergangene Woche. Er wolle "Witterung" aufnehmen zu einem Land in einer Situation, die "nicht so völlig weg ist von der deutschen Teilung".
Gabriel hat sich schon als Außenminister für Korea interessiert. Er wollte unbedingt zumindest mal von der Südseite die entmilitarisierte Zone um die Grenze des geteilten Landes besichtigen. Die Reise war schon in Planung, dann kam das Aus als Außenminister.
Nun ist Gabriel der wohl prominenteste Politiker der Bundesrepublik Deutschland, der je Nordkorea besucht hat. Zu Zeiten des Kalten Krieges hatte zwar die DDR ein enges Verhältnis zu dem kommunistischen Land, die Bundesrepublik aber gar keine diplomatischen Beziehungen. Das änderte sich erst 2001. Seitdem sind zwar immer wieder Parlamentarier nach Nordkorea gereist, aber noch nie ein ehemaliger Außenminister, Vizekanzler und Vorsitzender einer Regierungspartei.
Der 59-Jährige hat die einwöchige Reise, die am Samstag endet, auf eigene Faust organisiert. Dem Auswärtigen Amt meldete er sie als privat an, deswegen wird er auch nicht von der deutschen Botschaft betreut.
Gabriel "nicht im Auftrag der Bundesregierung" in Nordkorea
In dem Ministerium wird die ungewöhnliche Reise Gabriels skeptisch gesehen. Minister Heiko Maas ist nicht mehr als der Satz zu entlocken: "Das ist von jedem Abgeordneten selber zu entscheiden, was er tut und was er nicht tut." Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte bereits am Montag, dass Gabriel "nicht im Auftrag der Bundesregierung" nach Nordkorea reise. Man kenne auch das konkrete Programm nicht. "Wir haben jedoch dem Büro von Herrn Gabriel die Reise- und Sicherheitshinweise für Nordkorea übermittelt." Das konnte man auch als verschlüsselte Botschaft verstehen. Denn der erste Satz dieser Hinweise lautet: "Von nicht erforderlichen Reisen in die Demokratische Volksrepublik Nordkorea wird abgeraten."
Zum harten Kurs der Bundesregierung gegenüber Nordkorea passt eine solche Reise jedenfalls nicht. Sie setzt trotz Entspannungspolitik Trumps auf Sanktionen, um dem Ziel einer Einstellung des Atomprogramms des kommunistischen Landes näher zu kommen. "Wir sehen nicht, dass die Ergebnisse schon da sind. Und deshalb ist es wichtig, auch die Sanktionen gegenüber Nordkorea in keinster Weise zu lockern", sagt Maas. "Der Druck muss hoch bleiben."
Deutschlands Potenzial in der Kommunikation mit Nordkorea
Gabriel erhält aber auch Unterstützung. Die Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, die CDU-Politikerin Katharina Landgraf, findet die Aktion Gabriels gut. "Wir müssen mit Nordkorea reden und da sollte man alle Möglichkeiten in Anspruch nehmen, die sich bieten", sagt sie. Auch Landgraf will im Mai mit ihrer Parlamentariergruppe nach Nordkorea.
Der CSU-Politiker Hartmut Koschyk, der das weitgehend abgeschottete Land seit 2002 etwa 15 Mal besucht hat und es so gut kennt wie kein anderer deutscher Politiker, plädiert ebenfalls für Dialog. "Die Parlamentarierreisen sind wichtig, damit Deutschland bei dem Thema überhaupt noch stattfindet", sagt der Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums, in dem sich Fachleute um die Förderung der Beziehungen mit beiden koreanischen Staaten kümmern.
Nach Ansicht Koschyks hat Deutschland angesichts guter diplomatischer Kontakte zu Pjöngjang das Potenzial, eine größere Rolle bei der Suche nach einer Lösung im Streit um die atomare Bewaffnung Nordkoreas zu spielen. Er verweist darauf, dass die amerikanisch-nordkoreanischen Gespräche zur Vorbereitung des Gipfels von Trump und Kim im vietnamesischen Hanoi in der schwedischen Hauptstadt Stockholm stattgefunden haben. "Früher wäre Deutschland Gastgeber solcher Gespräche gewesen", sagt Koschyk. "Das zeigt, wie sich die Rolle Deutschlands in Sachen Nordkorea verschoben hat."
