Nach den tagelangen Zusammenstößen zwischen Tschetschenen und Nordafrikanern in Dijon, hat sich nun Ramsan Kadyrow, der autokratische Führer Tschetscheniens, zu Wort gemeldet und seine Landsleute bestärkt. Er sagte, sie hätten einen der ihren geschützt, weil die Polizei versagt habe.
Kadyrow, Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, sagte, dass die Unruhen durch die Gewalt von "Drogendealern" und die Untätigkeit der Polizei wegen des Angriffs auf einen Jugendlichen ausgelöst worden seien. "Es war kein inter-ethnischer Konflikt. Die lokalen Behörden konnten nicht mit außer Kontrolle geratenen Drogenhändlern umgehen, sodass die jüngere Generation die Sache selbst in die Hand nahm", sagte er. "Die Strafverfolgungsbehörden haben nicht so reagiert, wie sie es hätten tun sollen", fügte er hinzu. "Ich glaube, dass das Vorgehen der Tschetschenen richtig war."
Überfall auf einen Jungen
Die Unruhen wurden Anfang dieses Monats durch einen Überfall auf einen 16-jährigen tschetschenischen Jungen in Dijon ausgelöst. Nach Aufrufen in sozialen Netzen sind etwa 200 Tschetschenen nach Dijon gekommen, um sich an einer Gruppe nordafrikanischer Drogenhändler aus dem Stadtviertel Les Grésilles zu rächen, nachdem die am 10. Juni in der Stadt den tschetschenischen Teenager angegriffen hatten. Während der Prügelei sagten sie ihm angeblich: "Wir lassen dich am Leben, damit du deinen Leuten mitteilen kannst, dass dies mit allen von euch geschehen wird". Der Junge soll sich in kritischem Zustand befinden.
Angriff auf Bar
Nach Angaben des Fernsehsenders France Info begannen die Unruhen am Abend des 12. Juni, als sich Dutzende Einwanderer aus Tschetschenien in der Innenstadt von Dijon versammelten. Menschen, die mit Baseballschlägern, Metallstangen, Messern, Schraubenziehern und Hämmern bewaffnet waren, griffen eine beliebte lokale Wasserpfeifen-Bar namens "Le Black Pearl" an. Die Polizei setzte Tränengas ein, um zu versuchen, die Menge zu zerstreuen, aber zunächst wurde niemand verhaftet. Zehn Personen wurden verletzt, darunter mehrere Personen schwer. In den folgenden Nächten wurden in Les Grésilles Dutzende von mit Metallstäben bewaffneten Tschetschenen gesichtet. Dazu patrouillierten Autos mit Vermummten durch die Straßen.
Journalisten von France Info sagten, dass die Männer im Umgang mit der Presse zurückhaltend und höflich waren. Einer von ihnen erklärte, dass die Drogenhändler ihr Hauptziel seien. "Sie haben uns beleidigt, sie haben einen von uns geschlagen, also sind wir hier, um sie zu schlagen", sagte der Mann. Er sagte auch, dass die Tschetschenen nicht vorhätten, jemanden zu töten. Auf viralen Videos sind allerdings vermummte Männer mit Sturmgewehren und automatische Pistolen zu sehen.
Seit Freitag ist in den Vierteln Les Grésilles in Dijon und Le Mail in Chenôve eine groß angelegte Suchaktion im Gange, so der Regionalpräfekt Bernard Schmeltz. "Die Polizeieinsätze zielen auf die Suche nach Waffen, Munition und Drogen ab", sagte er. Auf die Anforderung der Staatsanwaltschaft wurden zwei Kompanien der kasernierten Staatspolizei CRS eingesetzt. Schon seit Dienstag hatte sich die Lage etwas beruhigt, nachdem der tschetschenische Vater des angegriffenen Teenagers ein Ende der Gewalt gefordert hat.
Nach Frankreich kamen viele der Tschetschenen nach dem Ende des dortigen Bürgerkrieges. Politisch dürften sie zumeist Gegner von Ramsan Kadyrow sein. Die tschetschenische Gesellschaft wird auch heute noch durch den starken Einfluss von Clans geprägt. Es ist eine der wenigen Regionen, in der das seit Jahrhunderten überlieferte Adat-Recht die Blutrache vorsieht. Ramsan Kadyrow werden schwere Verletzungen von Menschenrechten, Folter und Mord vorgeworfen.