Asien Taiwan-Manöver – so legt Peking sein Würgeeisen um die Insel

Peking hat zu Beginn der Manöver Hyperschallraketen gestartet, die über Taiwan hinwegflogen.
Peking hat zu Beginn der Manöver Hyperschallraketen gestartet, die über Taiwan hinwegflogen.
© PR
Rund um Taiwan hat Festland-China große Manöver gestartet. Doch die wirkliche Gefahr für die Insel sind nicht die Hyperschallraketen, die über sie hinwegfliegen. Peking droht, der Insel die Lebensadern zuzudrücken.

Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses ist aus Taiwan abgereist. Für Taipeh war der Besuch ein Erfolg, kann man ihn doch als diplomatische Aufwertung verstehen. Genau das aber provoziert Peking. Zur Erinnerung: Kaum ein Land auf dem Globus erkennt Taiwan als selbstständigen, souveränen Staat an. Deutschland übrigens auch nicht. Dennoch ist Taiwan ohne Frage ein staatliches Gebilde.

Ein Ring von Manöver-Zonen

Und Peking reagiert, wie es zu erwarten war. Rund um die Insel werden Militärmanöver abgehalten. Das Besondere ist dabei nicht, dass Peking in Taiwans "Luftraum" eindringt, wie gern und absichtlich irreführend getextet wird. Die Volksbefreiungsarmee (PLA) dringt bislang NICHT in Taiwans Luftraum ein, wenn das Hoheitsgebiet zugrunde gelegt wird. Die Rede ist von einer sogenannten Luftüberwachungszone, die sich teilweise sogar über das Festland von China erstreckt. Internationalen Luftraum darf jeder überwachen, wie er möchte, nur wird diese Zone darum nicht zum Hoheitsgebiet. Dennoch sind auch die Manöver Drohgebärden. Man muss die Anflugkurven der Jets nur ein paar Kilometer auf der Karte verschieben, dann sieht man, dass sie Angriffe simulieren. Für das TV gibt es auch jetzt martialische Videos von stürmenden Infanteristen, Panzern und Landungsfahrzeugen. Mehrere Hyperschallraketen wurden gestartet und überflogen die Insel. Doch bislang hat Peking keine militärische Karte gezogen.

Die wirkliche Drohung ist für das bloße Auge nicht zu erkennen, nur auf Karten kann man sie einzeichnen. Es handelt sich um die Manöverzonen der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA), sie liegen wie ein Ring rund um Taiwan. Auf den ersten Blick wirkt das schon bedrohlich, aber doch weist der Ring weite Lücken auf. Das wahre Potenzial kann man erst sehen, wenn man die Hauptverkehrsrouten von Schiff- und Luftfahrt über diese Zonen legt. Die Manövergebiete blockieren alle wesentlichen Handelswege und führen zu erheblichen Störungen. Gewiss lassen sie sich umfahren, um die Insel erreichen. Aber jedes einzelne Schiff und sehr viele Flugzeuge werden unmissverständlich daran erinnert, dass Peking den warnenden Finger gehoben hat.

Missachtung der echten Hoheitsgebiete 

Dazu kommt eine weitere Besonderheit. Ecken dieser Manöverzonen ragen in die echten Hoheitsgewässer von Taiwan hinein, hier setzt sich Peking erstmals offen über die Grenze der echten Hoheitsgewässer und nicht irgendwelcher Zonen hinweg. Auch das ist fein abgestuft: Nur die Zone ragt herein, das heißt noch lange nicht, dass auch ein Schiff hineinfahren wird. Zudem sind die Überlappungen fein ausgesucht. Sie liegen nicht direkt vor dem Ufer von Taiwan, sondern vor der sogenannten "Coastal Line" mit der die Hoheitszone bestimmt wird. Das ist eine Art von begradigter Linie, die auch Inseln und Ähnliches umfasst. Aus Pekings Sicht ist das Vorgehen folgerichtig: Mit dem Besuch von Pelosi hat Taipeh versucht, den Status der Insel zu verschieben, mit der Missachtung der Hoheitsrechte verschiebt Peking ihn wieder in die andere Richtung. Die KP würde zudem jede Verletzung irgendwelcher Rechte glatt abstreiten. Wenn Taiwan kein souveräner Staat ist, wie kann es dann Hoheitsrechte geben?

Und ganz nebenbei deuten die Manöver die stärkste Waffe an, die Peking gegen Taiwan ins Feld führen kann: eine Blockade und keine Invasion der Insel. Die Taiwanstraße ist über 100 Kilometer breit, eine Invasion mit Landungsschiffen wäre außerordentlich riskant und ohne ausreichende Vorbereitung kaum möglich.

Genau genommen wäre die PLA heute wohl auch nicht in der Lage, so eine Operation durchzuführen. Denkbar wäre nur, die zu Taiwan gehörenden kleinen Inseln in der Taiwanstraße militärisch zu besetzen. Doch Peking könnte auch ohne eine offene Kriegshandlung das Gebiet um Taiwan zur Blockadezone erklären. Kein ziviles Schiff oder Flugzeug würde dann die Insel noch erreichen. Allein die US-Navy hätte die Macht, so eine Blockade zu brechen. Das Ende des unabhängigen Taiwans würde dann nicht durch Landungen, Raketen und Artillerie geschehen, sondern durch wirtschaftliche Erdrosselung.

Berlin-Vergleich führt in die Irre

Manche Kommentatoren verweisen auf die Berlinblockade durch die Sowjets, die letztlich gescheitert ist. Der Vergleich hinkt leider in vielerlei Hinsicht. Bei der Berlinblockade wollten weder der Westen noch die Sowjets offene Gewalt anwenden. Das funktionierte, weil die Sowjets einfach den Schlagbaum auf den Landwegen runter lassen konnten. Sollte Peking aber eine Blockade von Taiwan planen, muss die PLA von Anfang an bereit sein, Gewalt gegen Blockadebrecher anzuwenden. Eine rein passive Blockade wäre bei Seewegen und Flugzeugen nicht denkbar. Umgekehrt heißt das aber auch: Eine Blockade von Taiwan wäre nur einen Hauch von einem heißen Krieg entfernt.