Ein kräftiger Händedruck, ein Daumen hoch vom US-Präsidenten – aber am Ende ihrer rund dreistündigen Gespräche in Genf gehen Joe Biden und Kremlchef Wladimir Putin sofort getrennte Wege. Mit einem Ende der politischen Eiszeit, einem Neustart in den Beziehungen, hatte ohnehin niemand gerechnet. Schon im Vorfeld waren das Weiße Haus und der Kreml gleichermaßen bemüht, die Erwartungshaltung an das Gipfeltreffen niedrig zu halten.
Lösungen bei zahlreichen Konflikten sind nach dem Treffen tatsächlich nicht in Sicht. Und doch: In einigen Bereichen gibt es zumindest Bewegung. Biden und Putin nutzten ihr erstes Treffen für eine vorsichtige Annäherung, sendeten Zeichen der Entspannung aus. Putin nannte die Begegnung "konstruktiv", auch Biden lobte die Gesprächsatmosphäre als "positiv".
Das haben Biden und Putin verabredet
- Rückkehr der Botschafter. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten waren nach Bidens Amtsantritt im Januar fast vollständig zusammengebrochen. Nachdem Biden den russischen Staatschef in einem Fernsehinterview als "Killer" eingestuft hatte, hatte Russland im März seinen Botschafter Anatoli Antonow aus Washington zurückgerufen und erklärt, US-Botschafter John Sullivan solle Moskau ebenfalls verlassen. Sullivan kehrte dann im April in die USA zurück. Die beiden Diplomaten sollen nun wieder ihre jeweiligen Posten in den Botschaften in Moskau und Washington übernehmen.
- Dialog zur Rüstungskontrolle. "Ich freue mich, dass wir uns heute darauf geeinigt haben, einen bilateralen strategischen Stabilitätsdialog zu starten", sagte Biden. Militärexperten und Diplomaten beider Länder sollten an einem Mechanismus arbeiten, der zu einer Kontrolle neuer und hochentwickelter Waffen führen könne. Die Gespräche über die strategische Stabilität gelten als wichtiges Signal für die globale Sicherheit.
- Beratungen zur Cybersicherheit. Laut Biden solle es bei den Gesprächen etwa darum gehen, konkrete Fälle anzusprechen und Ziele zu definieren, die tabu sein sollten für Cyberattacken – gewisse kritische Infrastruktur etwa, so der US-Präsident. Die USA machen russische Geheimdienste für einen massiven Hackerangriff auf Ministerien, Behörden und Firmen in den USA verantwortlich. Moskau hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen und angeboten, Vorwürfe aufzuklären und bei der Cybersicherheit zusammenzuarbeiten. Putin beklagte zudem immer wieder Cyberangriffe gegen russische Stellen.
Die offenen Streitpunkte
- Die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny. Putin hat die Gefangennahme des Kremlgegners verteidigt. Der Oppositionelle habe bewusst russische Gesetze ignoriert. Nach seinem Krankenhausaufenthalt in Deutschland habe der 45-Jährige Videos im Internet veröffentlicht und sei den russischen Meldeauflagen nicht nachgekommen. "Er hat das gemacht, was er wollte." Er sei bereit gewesen, festgenommen zu werden.
- Menschenrechtsverletzungen in Russland. Biden erklärte, er habe Putin zu verstehen gegeben, dass die USA Menschenrechtsverletzungen in Russland weiter anprangern würden. Er habe auch den Fall des inhaftierten Kremlkritikers Nawalny angesprochen. "Es geht nicht darum, Russland anzugreifen, wenn sie Menschenrechte verletzen." Es gehe darum, demokratische Werte zu verteidigen.
Darüber hinaus kritisierte er Äußerungen des Kreml-Chefs, der das Vorgehen der russischen Behörden gegen die Opposition offenbar damit rechtfertigen wollte, dass eine ähnliche Situation wie die Erstürmung des US-Kapitols in Russland verhindert werden müsse. "Das ist ein lächerlicher Vergleich", sagte Biden dazu. Bei den Angreifern am 6. Januar in Washington habe es sich um "Kriminelle" gehandelt und nicht um friedliche Demonstranten. - Der Austausch von Gefangenen. "Präsident Biden hat dieses Thema in Bezug auf amerikanische Staatsbürger in Gefängnissen der Russischen Föderation angesprochen", sagte Putin. "Es können gewisse Kompromisse gefunden werden. Das russische Außenministerium und das US-Außenministerium werden in diese Richtung arbeiten." Vor dem Treffen war insbesondere in den USA spekuliert worden, dass sich die Präsidenten darauf einigen könnten, dass die in Russland inhaftierten Amerikaner Paul Whelan und Trevor Reed gegen die in den USA verurteilten russischen Staatsbürger Viktor But und Konstantin Jaroschenko ausgetauscht werden könnten. Biden erklärte am Ende seiner Pressekonferenz, er werde mit Blick auf die inhaftierten US-Bürger in Russland nicht nachlassen.
Ein Handschlag ohne Illusionen
Signale der Entspannung hin oder her: Nach dem Gipfeltreffen gaben Biden und Putin zu verstehen, dass das Treffen höchstens als Beginn einer Deeskalation zu deuten sein kann. So lobte Putin lobte zwar, dass er mit seinem zehn Jahre älteren Kollegen tatsächlich "eine gemeinsame Sprache" gefunden habe. Doch: "Es gibt keine Illusionen und kann auch keine geben", sagt er auf die Frage, ob nun alles besser werde in den russisch-amerikanischen Beziehungen.

Biden hat zumindest einen Teil von Putins Pressekonferenz gesehen, als er kurz danach rund 300 Meter Luftlinie entfernt vor die Journalisten tritt. Auch der Amerikaner gibt sich keinen Illusionen hin. Er berichtet, er habe Putin gesagt: "Das ist kein Kumbaya-Moment, wie wir in den 60er-Jahren in den Vereinigten Staaten zu sagen pflegten." Es gehe nicht darum, sich zu umarmen oder gar zu lieben. Es sei aber weder im Interesse Russlands noch der USA, "in einer Situation zu sein, in der wir in einem neuen Kalten Krieg sind". Es gehe nicht um Vertrauen – es gehe um Eigeninteresse.