Nur wenige Tage nach dem Einmarsch in der Ukraine besetzte Russland das Atomkraftwerk Saporischschja. Die Gefechte rund um die größte Nuklearanlage in Europa weckten Ängste vor einer Reaktorkatastrophe. Nach russischen Angriffen in der Nacht zu Donnerstag war das AKW nach Angaben des Betreibers für mehrere Stunden von der Stromversorgung abgeschnitten – ein Sicherheitsrisiko mit potenziell dramatischen Folgen. Das Kernkraftwerk braucht Strom, unter anderem, um die Kühlung der Reaktoren aufrecht zu erhalten. Fällt die Energieversorgung aus dem Stromnetz wie am Donnerstag geschehen aus, springen Notstromaggregate ein.
Doch die Dieselgeneratoren könnten den Energiebedarf der Anlage nur für zehn Tage decken, teilte der Energiekonzern Energoatom mit. Falls es einmal nicht gelingen sollte, die externe Stromversorgung des Kraftwerks in dieser Zeit zu erneuern, könne es zu einem "Unfall mit Folgen für die ganze Welt kommen". Später teilt der Betreiber Ukrenerho im Onlinedienst Telegram mit: "Die Spezialisten von Ukrenerho haben die Energieversorgung des Kernkraftwerks Saporischschja wiederhergestellt, welche durch die heutigen Raketenangriffe unterbrochen wurde."
Das AWK Saporischschja als Militärbasis
Am 4. März 2022 besetzte Russland das Kernkraftwerk im Süden der Ukraine. "Die russischen Truppen haben das Kraftwerk in eine Militärbasis verwandelt", sagt Dmytro Orlow, der Bürgermeister der Stadt Enerhodar, dem Standort der Anlage. Die Russen nutzten das Kraftwerk als "nuklearen Schutzschild, um militärische Ausrüstung und Munition zu lagern", sagt der Bürgermeister, der inzwischen in der 120 Kilometer entfernten Regionalhauptstadt Saporischschja lebt. Seinen Informationen zufolge sind in Enerhodar mindestens tausend russische Soldaten stationiert. "Die meisten davon im Kraftwerk, weil sie sich dort sicher fühlen", sagt Orlow.
Vor der Invasion arbeiteten 11.000 Menschen im Kraftwerk, jetzt sind es nach Angaben des Betreibers Energoatom nur noch 6500. Tausende Fachkräfte seien in die von Kiew kontrollierten Gebiete geflohen und von denjenigen, die blieben, hätten sich rund 2600 bereit erklärt, "mit dem russischen Aggressor zusammenzuarbeiten". "Es gibt ein echtes Personalproblem und das wirkt sich auf die Sicherheit aus", sagt der Bürgermeister.
Kernkraft ist zurück: In diesen Ländern setzt man aufs Atom

In dem südamerikanischen Land laufen drei Kernreaktoren, die etwa sieben Prozent der Elektrizität des Landes erzeugen: Atucha 1 und 2 (Foto) sowie Embalse. Ein kleiner, vor Ort entwickelter Prototyp eines Reaktors befindet sich im Bau; ein weiterer soll von der China National Nuclear Corporation gebaut werden – Atucha 3.
"Risiko eines nuklearen Zwischenfalls"
Früher erzeugte das AKW 20 Prozent des ukrainischen Stroms. In den ersten Monaten des Krieges blieb es trotz Bombardements in Betrieb, bevor es im September abgeschaltet wurde. Seitdem produziert keiner der sechs aus der Sowjetzeit stammenden Reaktoren mehr Strom. Dennoch war die Anlage weiterhin an das ukrainische Energienetz angeschlossen. Die Verbindung wurde aber laut Energoatom insgesamt sechs Mal unterbrochen, was das "Risiko eines nuklearen Zwischenfalls" berge. Im September entsandte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) Beobachter in das Kraftwerk und versuchte, über dessen Entmilitarisierung zu verhandeln – bislang ohne Erfolg. "Allein die Tatsache, dass die Beobachter hier sind, ist schon ein Pluspunkt", sagt der Bürgermeister. Er setzt auf die Vernunft angesichts der Gefahr: "Niemand wird die Besetzung des größten Atomkraftwerks in Europa mit militärischen Mitteln beenden."