Der Gewaltapparat des russischen Präsidenten Wladimir Putin steht nach Einschätzung des Militärexperten Christian Mölling unter massivem Druck. Mölling sagte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", die Demonstration der westlichen Geschlossenheit bei der Europareise des ukrainischen Präsidenten sei auch eine Botschaft an das Regime in Moskau gewesen. Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sprach von einem "europäischen Gesamtbild, wo man sagen kann: Die wollen das alle". Dies trage zur Unsicherheit in Putins Umfeld bei, wo die Nachrichten aufgenommen und die Entwicklungen in der Ukraine beobachtet würden. Das Regime sei "zumindest unter hohem Druck".
Mölling führte als Beleg unter anderem die Auseinandersetzungen um den Söldner-Führer Jewgeni Prigoschin an, der anscheinend erstmals auch Putin selbst in seine Kritik an der Moskauer Führung einbezogen habe. Die führenden Leute in Putins Machtapparat könnten sich fragen, "ob ihre Felle irgendwann davonschwimmen" und auf welchen Ausgang des Konflikts sie setzen sollten. Zu beobachten sei, dass intern das Misstrauen zunehme. Wörtlich sagte er: "Da sind wir mittlerweile: Dass alle sehr genau gucken, dass niemand hinter ihnen steht, damit sie nicht ein Messer im Rücken haben." Das Regime sei aber nur überlebensfähig, wenn die Unterdrückung weiter funktioniere. "Wenn der Gewaltapparat ins Stocken gerät, dann kippt die innere Ordnung Russlands", erwartet der Experte.
Keine militärische Lösung für Putin
Mölling sah keine Möglichkeit für Putin, seine Probleme durch einen militärischen Erfolg zu überwinden. "Eine militärische Lösung sehe ich nicht", sagt er. Die müsse es aber auch nicht geben, um Putins Macht zu sichern. "Es reicht, wenn es eine politische Lösung gibt, die von allen Akteuren in Russland gekauft wird." Putins Zustimmungswerte in der Bevölkerung seien offensichtlich nach wie vor hoch; ebenso wie die Bereitschaft in der Bevölkerung, die Botschaften der Propaganda zu glauben.
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Klare Botschaften europäischer Länder an Ukraine
Mölling betonte, dass es bei der Reise von Präsident Wolodymyr Selenskyi gleich in mehreren europäischen Ländern überraschend klare Botschaften gegeben habe. Zu diesen "Aha-Momenten" zählte er das besonders eindeutige Bekenntnis von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Unterstützung der Ukraine, das herzliche Treffen mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak und die Begegnung mit der rechtsgerichteten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. "Eine Menge an positiven Tönen" habe es gegeben. Für Selenskyj sei das "eine Message, die er mit nach Hause nehmen kann und die man auch Richtung Moskau sendet".