Podcast "Die Lage - international" Experte Mölling sieht kaum Chancen auf Annäherung von Scholz und Macron

Olaf Scholz und Emmanuel Macron
Bundeskanzler Olaf Scholz und sein französischer Kollege Emmanuel Macron
© Lewis Joly / AP / DPA
Der deutsche Kanzler und der französische Präsident werden auch bei ihren Gesprächen in Berlin nicht zusammenfinden – fürchtet zumindest Sicherheitsexperte Christian Mölling.

Vor den Gesprächen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron in Berlin sieht der Sicherheitsexperte Christian Mölling kaum Chancen für einen Neuanfang im schwer belasteten deutsch-französischen Verhältnis. "Ich habe keine große Hoffnung mehr", sagte Mölling am Freitag im stern-Podcast "Die Lage – international" zur Beziehung von Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sprach von einer "völligen Zerrissenheit" der beiden Partner. Macron hatte erst am Donnerstag wieder Mut im Konflikt mit Russland gefordert und sich dafür ausgesprochen, auch die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht auszuschließen. Der Franzose plädierte dafür, dass sich Europa auf den Krieg vorbereite, um den Frieden zu sichern. Scholz dagegen hat den Einsatz der Bundeswehr in der Ukraine kategorisch und unter allen Bedingungen ausgeschlossen. Uneins sind sich die beiden Staatsmänner auch in der Frage, ob der Ukraine weitreichende Marschflugkörper geliefert werden sollen.

Mölling verwies darauf, dass in Frankreich der Staatspräsident weit mehr Gestaltungsmöglichkeiten habe als die Regierung. "Macron fährt da eine ziemlich egozentrische Nummer", sagte Mölling. "Er zentriert ziemlich viel Macht auf sich." Bürokratien wie die des französischen Außenministeriums verlören so an Einfluss und könnten ihren stabilisierenden Einfluss nicht so geltend machen wie in anderen Konstellationen. Im Gegensatz zu Scholz müsse der französische Präsident sich zudem keiner Wahl mehr stellen, da er dem Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit entgegen gehe. Das gebe ihm noch mehr Handlungsspielraum. 

Christian Mölling: "Ich glaube, der meint das ernst"

In Möllings Augen vollzieht Macron gerade eine Wende in seiner Ukraine-Politik. Zu Beginn des russischen Angriffskrieges hatte er noch davor gewarnt, Russland zu demütigen. Nun setzt er auf eine Politik der Stärke, die um jeden Preis einen russischen Erfolg verhindert. Dieser Kurswechsel wird nach Möllings Einschätzung Bestand haben. "Ich glaube, der meint das ernst", sagte Mölling. "Denn man kann diesen Schwenk in den letzten Wochen ja sehen. " 

Trotz aller Zweifel rief er die beiden Politiker auf, eine Verständigung zu suchen. Nach den Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen wäre für Macron und Scholz das Treffen in Berlin die Gelegenheit zu überlegen, wie es weitergehen könne. "Das Gerede vom deutsch-französischen Motor ist ein Blick in die Vergangenheit", analysierte der Experte. "Aber es gibt eine deutsch-französische Bremse, wenn beide drauftreten – oder auch nur einer – kann Europa als Ganzes nicht mehr funktionieren."