"Ukraine – die Lage" Sicherheitsexperte Mölling über das US-Datenleak: Ausspionieren unter Freunden ist ganz normal

Ukrainische Soldaten feuern einen Mörser auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut
Ukrainische Soldaten feuern einen Mörser auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut in der Region Donezk. Ein massiver Datenleak von Dokumenten zum Ukraine-Krieg bereitet den USA große Sorgen.
© Libkos / AP / DPA
Der Sicherheitsexperte Christian Mölling erwartet keine Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine, weil amerikanische Geheimdienste offenbar die Regierung in Kiew ausspioniert haben.

Der Sicherheitsexperte Christian Mölling erwartet keine Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine, weil amerikanische Geheimdienste offenbar die Regierung in Kiew ausspioniert haben. Mölling sagte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", es wäre "eine komplette Missachtung des amerikanischen Sicherheitsverständnisses" zu glauben, dass die Amerikaner nicht auch Verbündete ausspähen würden. Das gilt nach Einschätzung des Forschungsdirektors der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Verhältnis zu Nato-Partnern wie auch zur Ukraine. 

Mölling legte nahe, dass auch andere westliche Staaten Informationen über die eigenen Alliierten sammelten. "Da muss man klarsichtig sein", sagte er. Mölling verwies darauf, dass unter Kriegsbedingungen die Führung eines Landes sich kaum ein objektives Bild von der Lage machen könne. Auch daher sei es verständlich, wenn die USA auf eigene Erkenntnisse setzten: "Das ist eine Art von Rückversicherung", sagte er. Die Bespitzelung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj legen US-Dokumente nahe, die im Internet aufgetaucht sind, deren Echtheit aber nicht eindeutig geklärt ist.

Weitere Dokumenten-Leaks drohen

Mölling vermutete hinter dem Dokumenten-Leak keine Kampagne Russlands, sondern eher eine Panne beziehungsweisen die Tat eines Einzelnen. "Meistens sind es die Innentäter", sagte er. Man solle aber auch "das Banalste nicht ausschließen. Es kann auch sein, dass Top-Secret-Dokumente an der Bushaltestelle liegen geblieben sind."

Die Amerikaner müssten jetzt die undichte Stelle in ihrem Sicherheitssystem finden. Solange das Leck nicht geschlossen sei, könnten jederzeit weitere Geheiminformationen verbreitet werden: "Wer an diese Dokumente rankommt, der kommt möglicherweise auch an andere." 

Emmanuel Macron im Abseits

Scharf kritisierte Mölling die Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Rolle Europas im Taiwan-Konflikt. Macron hatte gefordert, dass Europa in der Taiwan--Frage kein Mitläufer sein dürfe, der dem "amerikanischen Rhythmus" folge. Dazu sagte Mölling: "Was den französischen Präsidenten geritten hat, weiß ich nicht." Zeitpunkt und Wortwahl seines Vorstoßes seien "so unglücklich, dass er im Grunde genommen sich außenpolitisch – zumindest für den Moment – ins Abseits geschossen hat".

Falls es zwischen China und den USA wegen Taiwan zu einer großen Konfrontation komme, hätte dies natürlich auch Auswirkungen auf Europas Sicherheit und Wirtschaft. "Wir sind im Taiwan-Konflikt schon drin", betonte Mölling. Er machte deutlich, dass dort ein "neuer Weltumbruch" seinen Ausgang nehmen könne. Macron habe weder die Position Frankreichs noch die Europas gestärkt. Seine Haltung werde "nicht ohne Gegenwehr" bleiben.

yks