Die russische Propaganda fällt nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Mölling sagte am Donnerstag im stern-Podcast "Die Lage – international" zu den Kampagnen aus Moskau: "Wir müssen davon ausgehen, dass das unheimlich gut verfängt." Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erläuterte, dass die russische Führung genau verstanden habe, wie die deutsche Gesellschaft funktioniere und worauf sie reagiere. Hinzu komme, dass das Schüren von Angst gewissermaßen zum Kern des Regimes von Präsident Wladimir Putin gehöre. Es steuere gezielt die Botschaften, die an westliche Gesellschaften gesendet werden. So sei das abgehörte Gespräch hoher Luftwaffen-Offiziere über den Marschflugkörper Taurus über Wochen zurückgehalten worden – um es dann genau in eine ohnehin schwierige deutsche Debatte zu platzieren. Für die Akteure in Berlin bedeute dies die Herausforderung, sich eben nicht entsprechend ihrer Rollen zu verhalten und beispielsweise als Oppositionspolitiker die Regierung zu attackieren. Sie müssten erkennen, dass sie jetzt nicht das Spiel Moskaus mitspielen dürften.
"Wir sind die Schauspieler"
Den Erfolg der russischen Propaganda verglich Mölling mit einem Theaterstück: "Wir sind die Schauspieler – und Russland hat das Stück geschrieben", sagte er. Mölling erwartete etwa, dass in der Debatte um die Taurus-Lieferung es durchaus einen Effekt haben könne, wenn jetzt in russischen Medien darüber spekuliert werde, welche Brücken in Deutschland als Vergeltung für eine Zerstörung der Brücke auf die Krim angegriffen werden könnten.
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Mölling betonte, dass "gute Propaganda nicht nur einen Anker in der Realität hat, sondern sich gut als Schablone über die Wirklichkeit schieben lässt". So sei der Konflikt um die Region Transnistrien in Moldau durchaus real. Die Nachrichten über die Hilferufe der dort lebenden Russen an Moskau würden aber auch für Propagandazwecke genutzt – etwa um die Sorge zu wecken, dass auf den Hilferuf eine militärische Intervention folge. "Die versuchen hier, das gleiche Narrativ nochmal reinzuschicken", sagte Mölling zu den Parallelen mit den angeblichen Hilferufen der russischen Minderheit im Osten der Ukraine vor Beginn des russischen Einmarschs vor zwei Jahren.