In Sachen schräger Sprüche ist der Italiener Umberto Bossi (61) unter europäischen Politikern Spitze. Beispiel: "Werfen Sie die italienische Flagge ins Klo. Ich wische mir den Hintern damit ab." Und seit er in Rom Minister ist, sprüht er vor Ideen: Mal fordert er allen Ernstes, neben Rom sollten in Italien vier "Vize- Hauptstädte" ausgerufen werden. Dann will er, dass die Küstenwache auf Flüchtlingsboote schießt. "Zwei, drei Warnungen. Peng. Dann feuern wir Kanonen ab." Das alles gibt er mit einer Reibeisenstimme von sich, die an Adriano Celentano erinnert. Bossi ist allerdings bei den Italienern deutlich weniger beliebt als der Sänger von "Azzurro".
Barbar und Populist
Mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat der Vorsitzende der Liga Nord eine Gemeinsamkeit: Bringt ihnen einer ihrer rhetorischen Ausfälle echten Ärger ein, behaupten beide, das sei nur "Ironie" gewesen. Ansonsten legt sich Populist Bossi derzeit im Kabinett in so vielen Fragen quer, dass Beobachter schon spekulieren, er wolle die Koalition platzen lassen - wie 1994, als er "Berluskaiser", wie er seinen Regierungschef mitunter nennt, nach nur sieben Monaten vom Thron stürzte. "Ich bin ein Barbar", meinte Bossi einmal über seinen eigenwilligen Politikstil.
Wenn Berlusconi mitunter als eine der schillerndsten Figuren der europäischen Politikszene beschrieben wird, dann ist Bossi wohl eine der deftigsten. Wenn dieser über seine höchst geringe Wertschätzung für seinen Ministerposten spricht, greift er schon mal zu Kraftausdrücken der derberen Art - die werden in Italien zwar häufig benutzt, im Mund eines Ministers sind sie dennoch reichlich ungewöhnlich. Geschadet hat das Bossi offenbar nicht, Berlusconi lässt ihn (noch) gewähren.
Abgebrochenes Medizinstudium
Die Irrungen und Wirrungen des Mannes aus der Lombardei halten Italien seit nunmehr einem Jahrzehnt in Atem. Nach abgebrochenem Medizinstudium und Jobs als Automechaniker und Elektriker bewies Bossi in den 80er und 90er Jahren politisches Gespür. Zielstrebig nutze er die Stimmung in Norditalien gegen "Roma ladrona", das diebische Rom, das die Gelder aus dem reichen Norden verprasse. Zug um Zug schürte er die Ängste der Kleinbürger, organisierte die anti- römische Regionalbewegung, einigte sie - und setzte sich an ihre Spitze.
Einen eigenen Staat "Padania" wollte er dann gründen, nahm sich den Kampf der Lombarden gegen Kaiser Barbarossa zum Vorbild. "Nach dem Muster der Tschechoslowakei" sollte Italien in einen reichen Norden und einen armen Süden geteilt werden. Als Bossi 1996 in Venedig den Phantomstaat "Padania" schließlich ausrief, wehte über dem Markusplatz ein Spruchband: "Viva Italia". Die Sache wurde ein Flop.
"Völker der Poebene"
Doch das Ende des Mannes mit der rauen Stimme war das nicht. Öffentlich gab er vor, es sei nichts geschehen. Auf Parteitagen seiner Liga Nord wurde weiterhin darüber geredet, ob die "Völker der Poebene" bei der Olympiade mit einer eigenen Mannschaft antreten sollten, und den Kaffee zahlten die Delegierten nicht mit Lira, sondern mit Scheinen einer "Bank des freien und unabhängigen Padaniens". Doch hinter den Kulissen steuerte Bossi die zweite Koalition mit Berlusconi an.
Heute backt Bossi, der immer noch gerne im grünen Parteihemd seiner Liga auftritt, kleinere Brötchen. Statt Staatschef «Padaniens» ist er «Minister für Reformen und regionale Autonomie» geworden. Da arbeitet er daran, dass Regionen in Sachen Schulen und Polizei mehr Freiheit bekommen. Immer wieder droht er aber mit dem Bruch der Koalition - zur Zeit jede zweite Woche.
Rein zahlenmäßig braucht Berlusconi die Liga gar nicht in seiner Koalition. Aber wer hat schon gerne einen Mann wie Bossi gegen sich? "Bei mir muss man Pulver riechen und Säbelrasseln hören", sagte dieser schließlich einmal von sich selbst.