Nach neuen Gewalttaten steht Osttimor am Rande eines Bürgerkriegs. Ausländische Truppen bemühten sich, die Situation in dem erst seit vier Jahren unabhängigen südostasiatischen Land unter Kontrolle zu bringen. Osttimorische Soldaten erschossen am Donnerstagabend in der Hauptstadt Dili neun unbewaffnete Polizisten. Eine randalierende Menschenmenge steckte Häuser in Brand. Dabei kamen mindestens sechs Menschen ums Leben, unter ihnen Kinder.
Tausende Einwohner flüchten
Am Freitag war Maschinengewehrfeuer von den Hügeln nahe Dili zu hören. Mit Macheten bewaffnete Jugendliche hielten einen Bus an, ließen ihn aber passieren. Die Straßen waren menschenleer, tausende Einwohner flüchteten an die Küste oder suchten Schutz in Schulen, Gemeinschaftsräumen oder auf dem Gelände der Vereinten Nationen. Innerhalb von vier Tagen wurden bei den Unruhen 20 Menschen getötet. Auslöser war die Entlassung von 600 Soldaten, einem Drittel des gesamten Heeres. Sie waren aus Protest gegen Diskriminierung und die Bedingungen in der Kaserne in einen Streik getreten.
Die Ex-Soldaten stammen aus dem Westen des Landes - die dortigen Milizen wurden während des Unabhängigkeitskampfs der Sympathie mit dem Besatzer Indonesien verdächtigt. Die militärische Elite Osttimors kommt dagegen eher aus dem Osten des Landes. Der UN-Sicherheitsrat rief die Regierung auf, alles zu tun, um die Gewalt zu stoppen.
Soldaten greifen Polizei an
Am Donnerstag griffen Soldaten das Polizeihauptquartier in Dili an. Sie warfen den Polizisten vor, die Ex-Soldaten zu unterstützen. Unter Vermittlung von UN-Mitarbeitern wurde ein Waffenstillstand ausgehandelt. Als die Polizisten das Gebäude unbewaffnet verließen, eröffneten Soldaten das Feuer. Neun Menschen starben, 27 wurden verletzt, darunter zwei UN-Berater, wie der Sprecher der Vereinten Nationen, Stéphane Dujarric mitteilte. Der Mob steckte mehrere Häuser in Brand. Ein Kameramann der Fernsehnachrichtenagentur APTN sah in einem Gebäude die verkohlten Leichen von sechs Menschen, darunter die von Kindern.
Nach einem Hilferuf der Regierung trafen am Donnerstag und Freitag die ersten von insgesamt 1.300 Soldaten ein, die Australien zur Verstärkung des UN-Kontingents auf die Pazifikinsel schicken will. Auch Malaysia, Neuseeland und die ehemalige Kolonialmacht Portugal haben die Entsendung von Truppen angekündigt. Außenminister José Ramos-Horta erklärte, die eigenen Sicherheitskräfte könnten die Situation nicht mehr kontrollieren.
Australien führte die UN-Friedenstruppe INTERFET, die 1999 in Osttimor stationiert wurde, nachdem sich die Bürger der indonesischen Provinz für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatten. Pro-Indonesische Milizen überzogen Osttimor nach dem Referendum mit einer Welle der Gewalt. Erst der INTERFET-Einsatz setzte dem ein Ende. Nach zweieinhalbjähriger UN-Verwaltung wurde Osttimor im Mai 2002 unabhängig.