US-Präsident Joe Biden hat den zehnten Jahrestag der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden genutzt, um den US-Truppenabzug aus Afghanistan zu rechtfertigen. "Wir werden weiterhin jede Bedrohung, die von Afghanistan ausgeht, überwachen und unterbinden", erklärte Biden am Sonntag. Die Nachricht über den Tod bin Ladens vor zehn Jahren sei ein Moment gewesen, "den ich nie vergessen werde", betonte der Präsident.
USA "bleiben wachsam", sagt Biden
"Wir haben bin Laden bis zu den Toren der Hölle verfolgt – und wir haben ihn erwischt", sagte Biden in einer vom Weißen Haus veröffentlichten Erklärung. "Wir haben das Versprechen an all jene gehalten, die am 11. September geliebte Menschen verloren haben." Er lobte den damaligen Präsidenten Barack Obama für seine Entscheidung von 2011, die geheime Operation gegen den Al-Kaida-Chef zu genehmigen.
Die Terrorgruppe Al-Kaida sei im Land am Hindukusch zwar stark geschwächt, "aber die Vereinigten Staaten bleiben wachsam gegenüber der Bedrohung durch terroristische Gruppen", erklärte Biden weiter. Biden hatte im vergangenen Monat angekündigt, Washingtons längsten Krieg bis zum 11. September zu beenden und alle Truppen abzuziehen.
Experte warnt vor Wiederaufstieg Al-Kaidas
Experten befürchten, dass das Land ohne die internationalen Truppen wieder im Chaos versinken könnte. Der Terrorexperte Guido Steinberg wanrte vor einem möglichen Wiederaufstieg der Dschihadisten. Nach dem geplanten US-Abzug aus Afghanistan werde es schwer, die Extremisten dort zu bekämpfen, sagte der Mitarbeiter der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) der Deutschen Presse-Agentur. Zudem hätten die militant-islamistischen Taliban keinen Grund, ihr Bündnis mit Al-Kaida aufzugeben. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich die Taliban in Afghanistan durchsetzten. "Das könnte zu einem Weckruf für Dschihadisten weltweit werden."
Steinberg sagte, der Tod Bin Ladens sei ein "Epochendatum in der Geschichte des islamistischen Terrorismus" gewesen. Der Verlust des Anführers habe den Niedergang Al-Kaidas besiegelt. Sein Nachfolger Aiman al-Sawahiri erziele vor allem auf die junge Generation der Dschihadisten kaum noch Wirkung. Zuletzt hatte es auch Gerüchte gegeben, Al-Sawahiri sei nicht mehr am Leben. Zudem waren in den vergangenen Jahren mehrere hohe Al-Kaida-Anführer getötet worden.
Viele junge Dschihadisten seien heute orientierungslos, erklärte Steinberg. Wenn die Taliban sich in Afghanistan nach dem US-Abzug durchsetzen und das "klug" spielten, könnten sie in der Lage sein, Dschihadisten aus der ganzen Welt in das Land zu holen. Es sei jedoch nicht davon auszugehen, dass Al-Kaida in den nächsten Jahren in der Lage sei, international einen großen Anschlag zu verüben.
In einem UN-Bericht von Mai 2020 heißt es, die Führungsriege von Al-Kaida sei weiter in Afghanistan präsent. Insgesamt sei das Terrornetzwerk in zwölf der 34 afghanischen Provinzen aktiv. Informationen deuteten darauf hin, dass Al-Kaida in Afghanistan still und heimlich an Stärke gewinne. Die Beziehungen zwischen den Taliban und der Organisation sind demnach weiter eng. Die Taliban hatten sich im Februar 2020 in einem Abkommen mit den USA eigentlich dazu verpflichtet, ihre Zusammenarbeit mit Al-Kaida zu kappen.