John McCains Wahlkampagne ist schwer am Taumeln. Eigene Patzer, schlechte Umfragewerte, und dann auch noch der Doppelschlag von vergangenem Sonntag: Ex-Außenminister Colin Powell bekennt sich zu Obama und dessen Kampagne macht gleichzeitig Schlagzeilen mit einem neuen Spendenrekord. 150 Millionen Dollar für Obama allein im September.
McCain ist angeschlagen, doch politisch K.o. ist er noch nicht. Auch wenn manch einer der einflussreichen Analysten und TV-Experten ihn bereits abgeschrieben hat. Auch wenn es schon rumort in seiner eigenen Partei - konservative Kommentatoren, wie David Brooks von der "New York Times" oder Christopher Buckley vom Magazin "National Review", McCains Wahlkampf scharf kritisieren - der Kandidat McCain ist noch nicht Geschichte. Ein Wahlsieg ist noch möglich. Dafür kann er selbst noch einiges tun - auf anderes muss er hoffen.
Unbekannte Größe: Obamas Hautfarbe
Vor allem eine unbekannte Größe schwebt über all den umjubelten Wahlprognosen für Obama: seine Hautfarbe. Denn noch ist ungewiss, wie viele der weißen Wähler am Ende auch für ihn stimmen werden. So manch einer könnte in der Stille der Wahlkabine noch einmal ins Grübeln kommen: Will ich wirklich meine Stimme einem Schwarzen geben? Ein Schwarzer im Weißen Haus? Rassismus ist auch im Jahr 2008 noch immer ein Thema in den USA.
Das Phänomen ist nicht neu. Unter dem Namen "Bradley-Effekt" ist es seit Jahren bekannt. Damals, im Jahr 1982, kandidierte Tom Bradley, Bürgermeister von Los Angeles und Afroamerikaner, für den Gouverneursposten von Kalifornien. In den Umfragen lag er vor seinem republikanischen Rivalen, doch am Wahltag folgte die große Ernüchterung: Er hatte verloren. Wahrscheinlich lag es daran, dass sich weiße Wähler in den Umfragen für den schwarzen Bradley aussprachen, aber letztendlich doch für seinen weißen Konkurrenten stimmten.
Könnte Obama zum Bradley 2008 werden? Eine gemeinsame Studie der Nachrichtenagentur AP, Yahoo News und der Stanford Universität kam zu dem Schluss: Rassismus könnte Obama am Ende zweieinhalb Prozentpunkte kosten - bei einem engen Wahlausgang würde das für einen McCain-Sieg reichen. Rund vierzig Prozent aller weißen Amerikaner, so die Studie, verbinden mit Schwarzen zum Teil negative Eigenschaften: "Faul", "gewalttätig", "selbst verantwortlich für eigene Probleme". Nicht auszuschließen, dass solche Ressentiments auch Obama Stimmen kosten.
Doch auch bekennende Obama-Fans könnten McCain in die Hände spielen. Der US-Journalist Jack Shafer nennt dies das "Michigan Miracle", das Wunder von Michigan. Und meint damit: Demokratische Wähler könnten sich eines Wahlsiegs Obamas in Michigan und anderen Staaten so sicher sein, dass sie am Wahltag auf die eigene Stimmabgabe verzichten. Die Sorglosigkeit der eigenen Basis - Obamas-Strategen sind sich der Gefahr bewusst und auch der Kandidat selbst mahnte erst vor wenigen Tagen seine Unterstützer, auch weiterhin schwer für den Wahlsieg zu arbeiten.
Das Rennen wird enger
Denn traditionell wird das Rennen zum Wahltag hin noch einmal enger. Besonders dramatisch das Jahr 1980: Ronald Reagan lag nur zehn Tage vor dem Urnengang mit 39 zu 47 Prozentpunkten hinter seinem Rivalen Jimmy Carter - doch der Wahlsieger hieß bekanntlich Reagan. Wie stark die Prognosen irren können, musste auch Obama schon schmerzlich erfahren. New Hampshire, im Januar dieses Jahres. Viele Umfrageinstitute sahen Obama deutlich vor Hillary Clinton. Doch am Ende siegte Clinton beim zweiten Vorwahltermin der Demokraten und feierte ein überraschendes Comeback.
Auch die große Euphorie um den noch jungen Obama könnte für McCain sprechen. Denn noch ist nicht klar, wie viele der neu registrierten Wähler, vor allem Schwarze und junge Wähler, wirklich zur Wahl gehen werden. Laut der Nachrichtenagentur AP haben sich fünf Prozent mehr Demokraten als 2004 registriert. Doch gehen die auch zu Wahl?
Und was passiert im Fall eines Terroranschlags oder einer außenpolitischen Krise? Vertrauen die Amerikaner dann nicht vielmehr einem Erfahrenen, einem der sich auskennt in der Welt? Einem wie McCain?
Doch neben all den Unwägbarkeiten hat McCain noch zwölf Tage, selbst noch etwas für eine Wende zu tun.
Er muss eine Botschaft finden, die ähnlich griffig ist wie Obamas Slogan "Change", der vielzitierte Wandel. Und nach vielem hin und her, hat McCain nun etwas gefunden, was schon vielen Republikanern zuvor geholfen hat: das Sozialismus-Etikett. Das versucht er nun seinem demokratischen Rivalen anzuheften. Und dabei hilft ihm "Joe the plumber", Klempner Joe aus dem Staat Ohio. Bei jedem Wahlkampfauftritt erzählt er die Geschichte von dem einfachen Arbeiter, der ein kleines Unternehmen kaufen möchte, und sich Sorgen macht, wie viel Steuern er unter einem Präsidenten Obama zahlen müsste. Und dann erinnert McCain an Obamas Antwort. Dass der den Wohlstand staatlich verteilen wolle, hier in den USA, das sei doch unerhört. Und die Menge tobt. Obama ein Sozialist, vielleicht bleibt dieses Etikett tatsächlich noch an Obama heften.
Angst vor der Allmacht
Und noch etwas könnte McCain ausnutzen. Am 4. November werden auch Senat und Repräsentantenhaus gewählt. In beiden Kammern ist ein Sieg der Demokraten wahrscheinlich. McCain könnte nun Angst säen vor einer Allmacht der Demokraten: das kommt bei Amerikanern gut an. Denn nichts verabscheuen sie so, wie die politische Machtkonzentration in einer Hand. Der frühere republikanische Mehrheitsführer im Kongress, Newt Gingrich, forderte McCain in der Polittalkshow "This Week" genau dazu auf. Vielleicht hat McCain ja zugehört.
Dennoch, John McCain muss seine Kräfte bündeln, einige harte Entscheidungen treffen. Denn ihm fehlen das Geld und das Personal, um mit Obama im ganzen Land zu konkurrieren. Scheinbar haben McCains Strategen hier schon angepasst. Nach einem Bericht des Nachrichtensenders "CNN" haben die Republikaner die Staaten Colorado, New Mexico und Iowa aufgegeben. Alle drei wählten 2004 noch für George W. Bush. Momentan liegt dort aber Obama vorne und zwar deutlich. Das würde bedeuten, dass McCain unbedingt die "Swing States" Nevada, North Carolina, Ohio und Virgina gewinnen muss. Und obendrein ein fulminantes Comeback braucht in Pennsylvania. Dort liegt er in den Umfragen durchschnittlich elf Prozentpunkte hinter Obama. Doch McCain will es wissen. Will kämpfen und hat dabei vor allem konservative Wähler aus der Arbeiterschicht im Westen Pennsylvanias und Unabhängige aus der Gegend um Philadelphia im Auge. Am Dienstag trat er gleich dreimal in der Gegend auf.
Rassismus, Sorglosigkeit der Demokraten und ein beherzter Schlussspurt in den letzten Tagen: Es könnte noch klappen für McCain. Es muss nur vieles passen.