US-Wahlkampf Tiefschläge, Witze und unfreiwillige Komik

Gerade jüngere US-Bürger beziehen ihre politischen Informationen aus Comedy-Sendungen. Humor hat im Wahlkampf in Gewicht wie nie zuvor. Inzwischen macht der Präsident auch Witze über sich selbst.

Es gibt eine solche Flut von Witzen über US- Präsident George W. Bush, dass sie sogar einen Namen haben: "bushism". Zudem liefert der Texaner aber ständig unfreiwillig neue Munition für die Comedy-Shows. "Unsere Feinde denken ständig daran, wie sie unserem Land schaden können, und daran denken auch wir ständig", meinte er kürzlich ganz arglos. Inzwischen macht Bush auch Witze über sich selbst. Er kämpfe zuweilen mit der englischen Sprache, gestand er. "Aber als Arnold Schwarzenegger anfing, mich zu korrigieren, wusste ich: Ich habe ein Problem". Das eigenwillige Englisch des gebürtigen Österreichers ist in den USA berüchtigt.

Ringen um die Gefühle

Humor und Unterhaltung haben im Wahlkampf 2004 ein Gewicht wie nie zuvor. Das Ringen um die Gefühle ist eine Antwort auf verunsicherte Wähler, die angesichts der wachsenden Informationsflut immer weniger wissen und verstehen, sich immer weniger für Politik interessieren.

Eine Untersuchung des "Pew"-Instituts ergab, dass sich immer weniger US-Bürger in den klassischen Medien informieren. Am besten schneiden noch Sender wie Fox News ab, deren Programme oft wie ein sportlicher Wettkampf (zwischen Politikern oder Journalisten) inszeniert sind, die provozierend viel, vor allem rechte und populistische, Meinungen präsentieren. Andere Gewinner sind Unterhaltungssendungen. Über 21 Prozent der unter 30-Jährigen gab an, politischen Informationen aus Comedy-Sendungen zu beziehen.

"Der Weg nach Washington führt über mich"

Um sympathisch zu wirken und die unpolitischen Wähler zu erreichen, stürmen die Politiker in die Fernseh-Talkshows. Senator John Edwards hatte seine Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur in der Comedy-Sendung "Daily Show" bekannt gegeben. Schwarzenegger kündigte bei Jay Leno (NBC) an, um das Amt des Gouverneurs von Kaliforniens kämpfen zu wollen. Talkshow-Legende David Lettermann hatte schon 2000 zu Bush gemeint: "Vergessen Sie nicht, der Weg nach Washington führt über mich."

Dem Bush-Herausforderer John Kerry, der als eher hölzern und distanziert gilt, liegt das Leichte nicht. Also ging er mutig in die populäre "Daily Show". Als sein bester Gag gilt sein Bekenntnis über die merkwürdigste Wahlkampferfahrung: "Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Leute sich einen unbedingt auf der Toilette vorstellen möchten..." Aber Kerry stellte sich despektierlichen Fragen, wirkte etwas weniger entrückt und arrogant.

Kerrys Glück ist, dass er sehr begabte Helfer auf dem Gebiet des witzig-ironischen Wahlkampfs hat. Zu ihnen zählt Filmemacher Michael Moore, der in seinem Film "Fahrenheit 9/11" Bush der Lächerlichkeit preisgibt. Und in New York demonstrierte die Bürgerinitiative "Milliardäre für Bush" mit Plakaten wie "Öl für Blut!" und "Mehr Kriege".

Millionensummen für Negativkampagnen

Paradoxerweise hat der Kampf um die Sympathien der Wähler dazu geführt, dass 2004 nach Ansicht vieler Kommentatoren der schmutzigste Wahlkampf der US-Geschichte droht. Denn die Kehrseite dieser Emotionalisierung ist der Versuch beider Seiten, den Gegenkandidaten menschlich so mies wie nur möglich darzustellen. Negativkampagnen haben bereits zig Millionen Dollar verschlungen. Die Kandidaten sehen sich mit einer Flut von Diffamierungen konfrontiert: Koks-Schnupfer, Drückeberger und Lügner sind nur einige der Anwürfe, mit denen Bush konfrontiert ist.

Kerry wird als Vaterlandsverräter, Folterer, Simulant und Opportunist hingestellt. Witzig finden das beide nicht.

Der Wankelmut der Kandidaten

Vergeblich wehrt sich Kerry bislang auch gegen das von den Republikanern gezeichnete Bild vom wankelmütigen Politiker, der ständig seine Meinung ändert. Dabei ließen sich auch bei Bush genügend Beispiele für politische Kehrtwendungen finden, und einige davon liegen sogar erst wenige Wochen zurück. Die Demokraten versuchen deshalb nun, den Spieß umzudrehen.

"Der wirkliche Wankelmütige ist der amtierende Präsident", kritisierte der einflussreiche demokratische Senator John Biden. Und in einer Presseveröffentlichung verhöhnten die Demokraten kürzlich Bush in Abwandlung seiner Funktion als Oberkommandierender der Streitkräfte als den "Oberwankelmütigen".

Der Politikwissenschaftler James Thurber von der American University vermisst im Wahlkampf der Demokraten ein Konzept. Kerry greife in seinen Erklärungen zwar widersprüchliche Äußerungen Bushs auf, lasse dabei aber keine klare Offensivstrategie erkennen, sagte Thurber.

Dabei böte der Präsident in puncto Meinungsänderungen genügend Angriffsflächen. Noch im Wahlkampf 2000 wandte sich Bush gegen neue militärische Verstrickungen der USA in anderen Ländern. Drei Jahre später begann er den Krieg gegen den Irak und nannte dafür immer wieder neue Gründe - angefangen von angeblichen Massenvernichtungswaffen über angebliche Verbindungen des irakischen Präsidenten Saddam Hussein zum Terrorismus bis hin zur Befreiung des irakischen Volkes von einem brutalen Regime.

Verwirrung im Bush-Lager

Vorigen Monat sorgte Bush für Verwirrung auch im eigenen Lager, als er in einem Interview Zweifel äußerte, ob der Krieg gegen den Terror gewonnen werden könne. Kurze Zeit später korrigierte er sich und erklärte, der Kampf könne und werde gewonnen werden.

Eine Woche nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sagte Bush, er wolle den Al-Kaida-Führer Osama bin Laden "tot oder lebendig". Nur sechs Monate später erklärte der Präsident vor Journalisten, Bin Laden interessiere ihn nicht wirklich. In seiner einstündigen Rede auf dem Wahlparteitag vor knapp zwei Wochen in New York erwähnte er den meistgesuchten Terroristen der Welt mit keinem Wort. Anfang Februar sagte Bush in einer Sendung des Fernsehsenders NBC: "Ich bin ein Kriegspräsident." In einer Wahlkampfrede in Iowa am 20. Juni erklärte er dagegen: "Niemand will der Kriegspräsident sein. Ich will der Friedenspräsident sein."

Die Angriffe Bushs gegen seinen demokratischen Herausforderer zielen vor allem auf widersprüchliches Stimmverhalten Kerrys in dessen nunmehr 20-jähriger Zugehörigkeit zum Senat. Im Mittelpunkt steht dabei die Zustimmung Kerrys zu einer Vorlage, mit der die Parlamentskammer Ende 2002 Bush zum militärischen Eingreifen im Irak ermächtigte. Später sagte Kerry, er hätte dem bei Kenntnis der heutigen Fakten so nicht zugestimmt.

Zuerst dafür, dann dagegen

Ganz und gar widersprüchlich war Kerrys Abstimmungsverhalten im vergangenen Jahr bei einem Gesetz zur Freigabe von Mitteln in Höhe von 87 Milliarden Dollar zur weiteren Finanzierung der Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan. In einer ersten Abstimmung billigte er die Vorlage, bei der abschließenden Abstimmung votierte Kerry dagegen. "Ich habe tatsächlich dafür gestimmt, bevor ich dagegen gestimmt habe", sagte Kerry in einem mittlerweile im Wahlkampf oft kolportierten Satz, der nach Ansicht seiner Kritiker die Wankelmütigkeit des Herausforderers von Bush auf den Punkt bringt. Die Republikaner ließen sich die Steilvorlage nicht nehmen und bauten den Satz in einen ihrer Wahlkampfspots ein.

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Laszlo Trankovits/DPA