Wer immer Gordon Brown berät bei der Planung seiner öffentlichen Auftritte, sollte seine Strategie ganz schnell neu überdenken. Sie funktioniert nicht. Noch viel schlimmer: Sie hat den britischen Premier in den vergangenen Wochen tollpatschig aussehen lassen, wie einen schlecht organisierten Schülersprecher, unorganisiert und überhaupt nicht distinguiert. Seine Auftritte haben Gordon Brown unentschieden aussehen lassen, wie einen politischen Feigling, der zwar etwas entschieden hat, aber die Konsequenzen daraus nicht ganz ertragen kann.
Ein erstes Beispiel dieses seltsamen brownschen Eiertanzes war der Besuch zur Unterzeichnung des EU-Vertrages in Lissabon im Dezember. Das Thema EU-Vertrag ist in Großbritannien ein heißes Eisen - eigentlich hatte die Labour-Regierung unter Tony Blair ihren Wählern ein Referendum versprochen zum Thema der einst angestrebten EU-Verfassung. Doch da daraus nun ein EU-Vertrag wurde, so argumentierte die neue Labour-Regierung unter Brown, brauche man keine Volksbefragung mehr. Das führte zu ziemlich heftigen Diskussionen im Parlament, einer Reihe von bösen Kommentaren in den Zeitungen und zu dem generellen Gefühl, dass ein Versprechen nicht eingehalten wurde.
Cornelia Fuchs
London ist der Nabel der Welt und Europa immer noch "der Kontinent". stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs beschreibt in ihrer wöchentlichen stern.de-Kolumne das Leben zwischen Canary Wharf und Buckingham Palace, zwischen Downing Street und Notting Hill.
Die Briten sehen in Brown einen Feigling
Browns Berater wollten daher verhindern, dass der Premier in Lissabon in freundlicher Eintracht mit allen EU-Regierungschefs abgelichtet wurde. Das hätte dem Argumentations-Strang "das alles ist doch nur ein kleiner Vertrag, der nichts verändert und daher brauchen wir kein Referendum" schweren Schaden zufügen können.
Stattdessen schwebte Brown zur Unterzeichnung des Vertrages zu spät ein. Die historischen Fotos waren da schon gemacht. Dennoch fiel die Reaktion der Briten anders aus als von Brown gedacht: Ein Feigling sei Brown, der zwar als Premierminister das Recht hat, durchaus unpopuläre Entscheidungen zu treffen, dann aber gefälligst auch dazu stehen sollte.
Doch dieses seltsame Spiel war nicht das letzte Mal, dass der Premier aus Angst vor schlechter PR für noch viel schlechtere Öffentlichkeitsarbeit sorgte. Dasselbe passierte beim Termin mit der olympischen Fackel - die ließ er als zukünftiger Gastgeber der Olympischen Spiele 2012 in London zwar in die Downing Street tragen. Weigerte sich dann aber, das Ding anzufassen, was zu einer seltsamen Akrobatik mit den Fackelträgern führte.
Ein Mann, der Dinge entscheidet, zu denen er nicht steht
Und seinen Besuch bei der olympischen Eröffnungsveranstaltung in Peking sagte sein Team ab – beteuerte dann jedoch auf die Frage, ob dies als Protest verstanden werden sollte, nein, überhaupt nicht, der Premier habe nie vorgehabt, in Peking anzureisen. Diese Argumentations-Linie sollte wohl verhindern, dass Brown sich in einer Reihe mit Tibet-Unterstützern und Olympia-Boykott-Befürwortern wiederfand und damit die chinesische Staatsführung erheblich verärgerte. Heraus kam jedoch erneut das Bild eines Mannes, der Dinge entscheidet, zu denen er hinterher nicht ganz stehen will.
Brown haben diese seltsamen öffentlichen Verrenkungen nicht gut getan. Inzwischen scheinen sich die britischen Zeitungen einen Spaß daraus zu machen, immer neue Missgeschicke ihres Premiers aufzuschreiben. Beim Staatsbankett mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy soll sich Brown im Schloss Windsor verlaufen haben, seine gerade anlaufende USA-Reise findet ungeschickter Weise im medialen Schlagschatten eines Papst-Besuches statt.
Der Premier gibt sich nach außen gelassen
Dazu kommen auch noch echte politische Probleme, unbeliebte Steuererhöhungen zum Beispiel und komplizierte Debatten über Gesetze zur Embryonenforschung und zur inneren Sicherheit. Und außerdem eine abstürzende Wirtschaft, deren Probleme, wie Brown zu Recht immer wieder anmahnt, nicht in Großbritannien erzeugt wurden. Die Auswirkungen versetzen aber die Briten mit einer Schuldenlast von weit über einer Billion Pfund ganz besonders in Angst.
Es bleibt abzuwarten, ob Gordon Brown das tiefe Stimmungs-Tal einfach aussitzen werden kann. Oder ob die schlechten Umfragewerte die revolutionäre Stimmung in seiner Partei weiter anheizen. Der Premier gibt sich nach außen gelassen, in einem Interview mit der BBC betonte er, wie wichtig langfristiges Denken in der Politik sei: "Manchmal ist dies eben kurzfristig gesehen unbeliebt." Gewählt wird in Großbritannien spätestens Mitte 2010 wieder. Die politischen Kommentatoren der britischen Zeitungen treibt schon jetzt die Frage um, ob Gordon Brown dann überhaupt noch zur Wahl stehen wird.