Wahlen in Italien Zittern statt feiern

Romano Prodi sah am Nachmittag schon wie der sichere Sieger aus. Doch nach den Hochrechnungen, die Berlusconi vorne sehen, herrscht auf der Wahlparty des Mitte-Links-Bündnis Katzenjammer. Statt zu feiern müssen die Linken um ihren Sieg zittern.

Aufgeregt spricht eine Römerin im Bus der Linie 70 Richtung Piazza Cavour in ihr Handy: "Wer liegt vorne, wer liegt vorne?", fragt sie ins Telefon. Doch auch vom anderen Ende der Leitung bekommt sie keine Antwort. Hatte es kurz vor der Schließung der Wahllokale am Montagabend noch nach einem Sieg des Linksbündnisses von Romano Prodi ausgesehen, herrscht auch Stunden nach Schließung der Wahllokale in der italienischen Hauptstadt Ratlosigkeit über den Ausgang der Parlamentswahlen.

Verhaltener Beifall statt Siegerposen

Bei der Wahlparty des Mitte-Linksbündnisses am Piazza S.S. Apostoli in der Innenstadt ist ein riesiger Bildschirm aufgebaut, auf dem die ersten Hochrechnungen live übertragen werden. Doch wo eigentlich der Sieger hätte gefeiert werden sollen, ertönt jetzt nur verhaltener Beifall. Das staatliche italienische Fernsehen sieht Prodi zwar noch vorne, doch auf anderen Sendern ist von einem leichten Vorsprung Berlusconis die Rede. Die Enttäuschung über das unklare Votum der Italiener steht den anwesenden Personen ins Gesicht geschrieben, hatten sie doch so auf einen Erdrutschsieg ihres "Romano" gehofft.

"Who has won?", fragt ein deutscher Tourist auf englisch einen Anhänger der Grünen-Partei "Verdi". "It’s difficult to explain", schwierig zu erklären, bekommt er zur Antwort. Das italienische Wahlsystem ist kompliziert, das Parlament etwa besteht aus einem Zwei-Kammer-System: Abgeordnetenhaus und Senat. Die Parlamentssitze werden nach dem Verhältniswahlrecht vergeben - allerdings erhält das größte Bündnis auf jeden Fall eine absolute Mehrheit. Die Regeln für das Abgeordnetenhaus und den Senat sind allerdings unterschiedlich und machen die Lage an diesem Abend nicht leichter. So könnte es passieren, dass Berlusconi im Abgeordnetenhaus die Mehrheit hätte, im Senat aber nicht - oder umgekehrt. Das könnte das Regieren deutlich erschweren, da Gesetze von beiden Parlamentskammern beschlossen werden müssen.

"Wir sind auch nicht schlechter als Deutschland"

Diese Vorstellung machen die Anhänger von Prodis Koalition erst recht wütend. "Bilancio" schreit einer wütend und meint, dass Italien derzeit im EU-Vergleich nicht besonders gut aussieht: Hohe Arbeitslosigkeit, riesiges Staatsdefizit und geringes Wirtschaftswachstum lassen Berlusconis Regierungsbilanz nicht besonders gut aussehen. Dass Prodi ein Wirtschaftsfachmann sei und Italien endlich wieder auf Kurs bringen könne, erläutert der Anhänger Prodis stolz. Und er setzt noch eins drauf: "Worser than Germany" stehe das Land derzeit da, also schlechter als Deutschland. Der Deutsche Zuhörer nickt betroffen, als wäre jetzt bei ihm der Groschen gefallen: "Good luck for Prodi", sagt er zum Schluss.

Das Glück werden die Prodi-Fans wohl noch die ganze Nacht bemühen müssen. Das Szenario erinnert an die Wahl in Deutschland vor dreieinhalb Jahren, als Stoiber sich schon zum Sieger gekürt hatte, ehe er um Mitternacht ein böses Erwachen erlebte. Derlei Peinlichkeit möchten sich die beiden Kandidaten in Italien offenbar ersparen. Weder vom amtierenden Ministerpräsidenten Berlusconi noch von Herausforderer Prodi trauten sich bis späten Abend vor die Kameras und beweisen, dass auch in den politischen Lagern Konfusion herrscht.

Viele der in Feierlaune angereisten Prodi-Fans am Piazza S.S. Apostoli haben inzwischen den Heimweg angetreten, nicht jedoch ohne noch einmal ihr Mobiltelefon zu bemühen. "Novita" ist zu verstehen - gibt es etwas Neues? Es wird wohl noch eine lange Nacht am Telefon für die Prodi-Fans werden.