Washington Memo Amerika wird grün

  • von Katja Gloger
Nachdem Bundeskanzlerin Merkel ihren Polit-Freund George W. Bush neulich in eine gemeinsame Klima-Initiative lockte, will auch der jetzt gegen "Global Warming" kämpfen. Ein bisschen wenigstens. Sein Land aber ist schon viel, viel weiter. America goes green.

Großes sollte es bitte schön schon sein, kühne Initiativen, die weit in die Zukunft weisen. Projekte, die neue Freundschaft erblühen lassen zwischen Deutschland und denen da drüben in Amerika. Lange hatten die Planer im Kanzleramt und im Außenministerium zu Berlin in den vergangenen Monaten überlegt, an Grundsatzpapieren gebastelt. Womit könnte Angela Merkel ihren Polit-Freund George W. Bush locken, wie könnte sie ihn verpflichten, mal was Gutes für die Welt zu tun? Für das Klima zum Beispiel. Denn jeder weiß ja: ohne die USA ist der Kampf gegen Global Warming verloren, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Doch wie den starrköpfigen Präsidenten ködern? Der hatte die Klimakatastrophe bislang vor allem mit der Order bekämpfen wollen, im Weißen Haus gefälligst die Heizungen niedriger zu stellen - sehr zum Verdruss seiner Mitarbeiter. Die Worte "Technologie" und "Energiesicherheit" müssten schon vorkommen, überlegte man unterdes in Berlin, damit könne man auch Bush begeistern.

Und tatsächlich - als Kanzlerin Merkel während ihres Vier-Stunden-Blitzbesuches in Washington Anfang Januar dem US-Präsidenten ihre transatlantische Klima-Initiative nahe brachte, war der ganz Ohr. "Ich kann sogar das Wort Treibhausgase buchstabieren", witzelte er und stimmte der Gründung einer Arbeitsgruppe zu. Schaden kann's nicht, dachte er sich wohl. Und wenige Wochen später, während seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation, sprach er dann das Wort aus, dass ihm bislang als Tabu galt: "globaler Klimawandel." Menschengemacht. Seitdem spekulieren die Medienleute über die klimapolitische Wende des George W. Bush. Der Mann, ein heimlicher Öko?

Der Energieverschwender zeigt Gewissen

Es ist unübersehbar: America goes green. Die weltgrößten Energieverschwender zeigen Gewissen. Hurrikan Katrina, schmelzende Gletscher, aussterbende Eisbären und nicht zuletzt auch Al Gores aufrüttelnder Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" haben die Amerikaner sensibilisiert. Selbst die Evangelikalen, bislang die strammsten Bush-Wähler, entdecken ihre grüne Verantwortung: "Millionen Menschen können in diesem Jahrhundert aufgrund des Klimawandels sterben, die meisten von ihnen in den armen Ländern", heißt es in einer Erklärung - und man will gar eine "evangelikale Klima-Initiative" ausrufen.

LOHA heißt das Etikett für den neuen Lifestyle: "Life of Health and Sustainability", gesundes und nachhaltiges Leben. Da packt man die handverlesenen Alternativ-Erdbeeren in Jutetaschen statt in Plastik, trägt teure Öko-Jeans statt billige Levis. Da hört man Musik am liebsten nur noch von Bands, die als Ausgleich für die CO-2 Emissionen bei der Produktion der neuesten CD auch brav Bäume in Asien pflanzen lassen. Und kauft natürlich "organic". Etwa bei der boomenden Supermarkt-Kette "Wholefoods", dem sündhaft teuren El Dorado aller LOHA-Gläubigen, aber auch beim Monster-Discounter WalMart. Mittlerweile konsumieren US-Bürger rund 40 Prozent der weltweit produzierten organischen Lebensmittel.

Ökologie als Wahlkampfthema

Und mehr: Überall im Land haben sich Städte verpflichtet, dem Klima-Abkommen von Kyoto zu folgen. Bürger versuchen, ihre aus Sperrholzplatten zusammengenagelten Häuser zu isolieren. Auch Politiker präsentieren sich gerne knallegrün - sie wissen, Klima und Energie gehören zu den wichtigsten Themen des kommenden Präsidentschaftswahlkampfes. Und so haben potentielle Kandidaten wie etwa der Demokrat Barack Obama und der mächtige Republikaner John McCain eine gemeinsame Gesetzesinitiative vorgelegt, die den Ausstoß von Treibhausgasen begrenzen soll. Solch ein Gesetz fordern seit neuestem auch erzkapitalistische Großkonzerne wie General Electric - bislang undenkbar.

Vorgemacht hat es ihnen Arnie, Arnold Schwarzenegger, republikanischer Gouverneur von Kalifornien, der sich als "ökologisch progressiv" bezeichnet. Im vergangenen Sommer erließ er ein Gesetz, das die Emission von Treibhausgasen innerhalb von 15 Jahren um ein Viertel reduzieren soll - der Mann wurde mit satter Mehrheit wiedergewählt.

Amerika wacht auf. Denn alternative Energien sind schließlich auch ein Milliarden-Business. Unternehmer wie Politiker verstehen: nur wer "grün" ist, wer umweltfreundliche Technologien entwickelt, wird auf Dauer mithalten können im globalen Konkurrenzkampf. Außerdem hilft es dem Klima. Und man kann sich auch noch gut dabei fühlen.

"Kuwait der erneuerbaren Brennstoffe"

Aktueller Renner: aus Mais produziertes Ethanol. Vor allem im Mittleren Westen boomen die Bio-Raffinerien. Schon wird die Gegend als "Kuwait der erneuerbaren Brennstoffe" bezeichnet. Die USA haben den Ethanol-Konkurrenten Brasilien als weltgrößter Produzent überholt. Allerdings fahren zurzeit nur sechs Millionen "Flex-fuel"-Autos, deren Motoren sowohl Benzin als auch Ethanol tanken können - gerade mal drei Prozent aller US-Fahrzeuge. Doch längst arbeiten Forscher an der zweiten Generation erneuerbarer Brennstoffe, dem Zellulose-Ethanol: Brennstoff aus Biomasse, gewonnen etwa aus Präriegras oder aus den Abfällen der Holz- und Getreideverarbeitung. Venture-Kapitalisten schwärmen von baldigen Milliarden-Profiten.

Die Gunst dieser grünen Stunde will auch Bundeskanzlerin Merkel nutzen, schließlich weiß sie: das Thema "Klima" ist auch ihren Wählern wichtig. Und die Bekehrung des George W. Bush soll nur der Anfang sein. Die wahre Wende beginne ja mit dem nächsten Präsidenten (oder Präsidentin), heißt es da keck in einem internen Strategiepapier des Auswärtigen Amtes. Ein "klimapolitischer Paradigmenwechsel" stehe bevor. Und dann, bald schon, könne man wahrhaft Historisches leisten, vielleicht gar in einem gemeinsamen, ambitionierten "Man to Moon-Projekt". Es wären gute Nachrichten. Für Eisbären, und vielleicht auch für das transatlantische Verhältnis.

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