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William Barr vor Senatsausschuss Die USA haben keinen Justizminister mehr - aber einen Meister im "Arschdecken"

US-Präsident Donald Trump, William Barr
William Barr schützt lieber US-Präsident Donald Trump als das amerikanische Volk
© Mandel Ngan / AFP
Der Justizminister der USA ist eigentlich der höchste Anwalt des amerikanischen Volkes. William Barr hat bei seiner Anhörung vor dem Senatsausschuss dagegen klar gemacht: Er ist der Anwalt von Donald Trump.

"Es war unglaublich frustrierend anzusehen, gefüllt mit juristischen Haarspaltereien und politischem Arschdecken": Sein vernichtendes Urteil über den Auftritt von US-Justizminister William Barr vor dem Justizausschuss des Senats bescherte "Late Show"-Moderator Stephen Colbert am Mittwochabend die erhofften Lacher aus dem Publikum. Doch eigentlich ist seine Erkenntnis alles andere als lustig, denn sie trifft den Eindruck, den die live im Fernsehen und im Internet übertragene Anhörung hinterlassen hat, auf den Punkt und belegt damit dass die USA unter Präsident Donald Trump keinen Justizminister mehr haben, der diesen Namen verdient.

Um die Senatsanhörung zu beurteilen, muss man sich zunächst einmal klar machen, worum es dabei ging: Justizminister Barr war von dem Ausschuss vorgeladen worden, um Fragen zu seinem Umgang mit dem Russland-Bericht von Sonderermittler Robert Mueller zu beantworten. Barr wird vorgeworfen, den Inhalt des 448-seitigen Berichts in einer vierseitigen Zusammenfassung zu Gunsten von US-Präsident Donald Trump interpretiert zu haben. Wie kurz vor der Befragung bekannt wurde, hatte sogar Mueller selbst sich am 27. März in einem Brief an Barr über dessen Darstellung seiner Untersuchungsergebnisse beschwert.

Barr sollte der Anwalt des Volkes sein

Und dann muss man sich die Rolle des Justizministers im politischen System der USA vergegenwärtigen: So ist der Amtsträger zwar der Chef des Justizministeriums und gehört dem Kabinett an, trägt aber nicht den Titel "Minister" (secretary) sondern "United States Attorney General", etwa vergleichbar mit dem deutschen Generalbundesanwalt. Seine Aufgabe ist laut dem Leitbild seiner Behörde:

"Das geltende Recht durchzusetzen und die Interessen der Vereinigten Staaten gemäß dem geltenden Recht zu verteidigen; die öffentliche Sicherheit gegen Bedrohungen im In- und Ausland zu gewährleisten; die Führung des Bundes bei der Prävention und Kontrolle von Verbrechen zu übernehmen; eine gerechte Bestrafung derjenigen anzustreben, die sich rechtswidrigen Verhaltens schuldig gemacht haben; und für alle Amerikaner eine faire und unparteiische Rechtsausübung sicherzustellen."

Der US-Justizminister ist also quasi der höchste Anwalt des amerikanischen Volkes und keinesfalls der des Präsidenten. Das sieht auch William Barr so - zumindest hat er das im Januar dieses Jahres in seinem "confirmation hearing", seiner Befragung durch den Kongress vor seiner Ernennung, behauptet. "Die Aufgabe des Justizministers ist nicht, den Präsidenten zu vertreten", erklärte Barr damals.

Trumps Justizminister Barr unter Beschuss: Der US-Präsident gestikuliert während einer Rally in Wisconsin

Doch diese Ansicht war augenscheinlich nur vorgetäuscht. Seit dem Erscheinen des Mueller-Reports ignoriert Barr seine Amtspflicht, "die Interessen der Vereinigten Staaten gemäß dem geltenden Recht zu verteidigen", und gebärdet sich stattdessen wie der persönliche Verteidiger von Donald Trump. Mit der Anhörung am Mittwoch erreichte dieses Verhalten einen erschreckenden Höhepunkt. Barr präsentierte sich als genau das schützende Bollwerk, als das der US-Präsident ihn berufen hat. Über Trumps von Mueller nachgewiesene Lügen sagte er: "Mein Geschäft ist es nicht zu entscheiden, wann dem amerikanischen Volk Lügen erzählt werden. Mein Geschäft ist es zu entscheiden, wann ein Verbrechen begangen wurde." Trumps im Russland-Bericht aufgeführten Schritte um Mueller loszuwerden, die als versuchte Justizbehinderung gelten könnten, entschuldigte Barr damit, dass der Präsident frustriert gewesen sei, weil er "fälschlich beschuldigt" werde. An einer Stelle charakterisierte er eine seiner Antworten sogar als das, "was die Anwälte des Präsidenten sagen würden" und übernahm damit quasi unverblümt deren Rolle.

Barr ergeht sich in absurde Haarspaltereien

Barr übte sich aber nicht nur im "politischen Arschdecken", wie Stephen Colbert es nannte, er erwies sich auch als wahrer Meister im Hinauszögern oder Umgehen von Antworten und in Haarspaltereien: Als die Senatorin Kamala Harris, Bewerberin für die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten, den Justizminister fragte, ob Präsident Trump oder jemand im Weißen Haus ihn jemals aufgefordert oder ihm nahegelegt habe, eine Untersuchung über jemanden einzuleiten, druckste Barr zunächst herum. Dann bat er Harris, ihre Frage zu wiederholen. Nachdem sie das getan hatte, sagte Barr: "Ähhm, der Präsident oder irgendjemand anderes ...". Auf Drängen von Harris erklärte er: "Ich versuche, mich mit dem Wort 'nahegelegt' auseinanderzusetzen." Dann murmelte er unzusammenhängend vor sich hin und antwortete schließlich, dass er es nicht wisse.

In geradezu absurde Haarspalterei erging sich Barr, als ihm eine seiner Aussagen aus einer Kongressanhörung vom 10. April vorgehalten wurde. Damals wurde der Justizminister vom demokratischen Abgeordneten Charlie Crist gefragt: "Vor Kurzem sind Berichte aufgetaucht, Herr Justizminister, dass Mitglieder des Teams des Sonderberaters frustriert sind über die begrenzten Informationen, die in Ihrem Schreiben vom 24. März enthalten sind, dass es die Ergebnisse des Berichts nicht angemessen oder genau darstellt. Wissen Sie, worauf sie sich damit beziehen?"

"Nein, tue ich nicht", hatte Barr darauf geantwortet. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass der Attorney General zu dem Zeitpunkt längst den Beschwerdebrief von Mueller erhalten hatte. Für Barr ist das jedoch kein Widerspruch. Die Frage des Abgeordneten Christ habe sich schließlich auf "Mitglieder des Teams" bezogen und nicht auf Mueller selbst, und er habe keine Ahnung gehabt, welche Mitglieder das sein sollten und was diese frustriert haben könnte.

William Barr blockiert Regierungskontrolle

Während der gesamten Anhörung zeigte der Attorney General nicht das geringste Interesse daran, bei der verfassungsmäßigen Aufgabe des Kongresses, die Regierung zu kontrollieren, mitzuwirken. Im Gegenteil: Aus jeder Pore strahlte Barr aus, wie sehr er das Verfahren und die Tatsache, das jemand sein Verhalten oder das des Präsidenten rechtlich infrage stellt, verachtet. 

Ein eklatantes Beispiel dafür lieferte ein Wortwechsel mit dem demokratischen Senator Richard Blumenthal kurz vor Ende der Anhörung. Dabei ging es um einen Telefonanruf von Barr bei Mueller wegen dessen kritischen Briefes an den Justizminister. Auf die Frage von Blumenthal, ob entweder Barr oder einer seiner Mitarbeiter Aufzeichnung des Gesprächs angefertigt haben, antwortete der Justizminister: "Ja."

Blumenthal: "Wer hat das gemacht?"

Barr: "Es wurden Notizen von dem Anruf gemacht."

Blumenthal: "Können wir diese Notizen haben?"

Barr (achselzuckend): "Nein."

Blumenthal: "Warum nicht?"

Barr: "Warum sollten Sie sie haben?"

Und auch nach der Anhörung blieb Barr seiner Verweigerungshaltung treu: Nur wenige Stunden nach dem Termin im Senat erklärte der demokratische Vorsitzende des Justizkomitees des Repräsentantenhauses, Jerry Nadler, der Justizminister habe eine eigentlich für Donnerstag geplante Befragung durch den Ausschuss der zweiten Kongresskammer abgelehnt. Einen weiteren Aufklärungsversuch einfach absagen - ein Anwalt des amerikanischen Volkes würde das nicht tun.

Quellen:US-Justizministerium; "Vox"; CNN; "Washington Post"; Real Clear Politics

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