Es ist ein Vorgehen, das in der US-Geschichte seinesgleichen sucht. Anfang August durchsuchen Ermittler das Anwesen von Donald Trump in Florida. Seitdem kommen immer neue Details ans Tageslicht. Am Freitag veröffentlicht das Justizministerium eine detaillierte Angabe dessen, was bei der Razzia alles beschlagnahmt wurde – darunter jede Menge hochsensible Dokumente.
Was haben die Ermittler gefunden?
Die Auflistung vom Justizministerium ist sehr ausführlich. 33 Boxen wurden bei der Razzia Anfang August beschlagnahmt, in denen sich mehr als 11.000 Regierungsdokumente und -fotographien befanden. Die meisten der Objekte unterliegen keiner Geheimhaltungsstufe, jedoch fanden die Ermittler auch zahlreiche Dokumente die als "vertraulich", "geheim" oder "streng geheim" markiert waren. Damit bestätigte sich der Verdacht, den das FBI hatte. Erst Ende August war das Schreiben eines Agenten veröffentlicht wurde, dass mit entscheidend zur Ausstellung eines Durchsuchungsbefehls beigetragen hat. Demnach hatte das FBI frühzeitig den Verdacht, dass in den im Januar 2022 dem Nationalarchiv übergebenen Unterlagen nicht alle sensiblen Dokumente aus Mar-a-Lago überliefert wurden. Die Anwälte Trumps hatten im Juni eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass sich keine Geheimdokumente mehr in dem Anwesen befinden.
Was sich bei den Kisten an das Nationalarchiv und den beschlagnahmten Boxen in Florida aber gleicht, ist das Chaos, in denen die Unterlagen vorgefunden wurden. Das Nationalarchiv hatte im Februar die Ermittlungsbehörden alarmiert, weil Geheimdokumente zwischen Zeitungsausschnitten und Fotos gefunden wurden. Auch in den Kisten, die im August beschlagnahmt wurden, fanden die Ermittler chaotische Zustände vor. Beispiel gefällig? Kiste 10 beinhaltete neben elf als "vertraulich" und 21 als "geheim" markierten Dokumenten auch 30 Zeitungsartikel, drei Kleidungsstücke und Geschenke, ein Buch und 255 Fotos. Box 29 enthielt zwischen 86 Zeitungsartikeln und 35 Fotos auch ein Dokument, das als "streng geheim" markiert war
Was befand sich in den leeren Ordnern?
Diese Frage ist bislang ungeklärt. Insgesamt fanden die Ermittler 48 leere Ordner, die als "unter Verschluss" markiert waren. Ob die Dokumente von Anfang an nicht in den Ordnern waren, vielleicht unter andere Papiere gerutscht sind oder aus den Ordnern entfernt wurden, ist bislang vollkommen unklar.
Wo wurden die Dokumente gefunden?
Die Auflistungen des FBI zeigen, dass die beschlagnahmten Dokumente nicht alle in einem Raum lagen. Das FBI listet neben einem Lagerraum auch ein Büro als Fundort von einigen Boxen auf. Interessant dabei ist, dass in beiden Räumlichkeiten Geheimdokumente, darunter sieben Stück als "streng geheim" markiert, gefunden wurden und gerade das Auffinden im Büro könnte für Trump zu einem Problem werden. Denn zusätzlich zu den Dokumenten fanden die Ermittler auch Pässe des ehemaligen US-Präsidenten. "Wenn man Schmuggelware im selben Raum wie Ausweisdokumente findet, liegt der Schluss nahe, dass die Person Herrschaft und Kontrolle über die Dokumente hatte", erklärten Rechtsexperten kürzlich dem US-Sender NBC News. Dass er keine Ahnung von den Geheimdokumenten in Mar-a-Lago hatte, fällt damit für Trump als Aussage wohl schon mal weg. (Warum die beschlagnahmten Pässe zum Problem für Trump werden können, erfahren Sie hier)
Für Trump könnte aber auch zum Problem werden, dass die Dokumente nicht ausreichend gesichert wurden. Wie die "Washington Post" berichtet, handelt es sich bei dem als "Lagerraum" bezeichneten Fundort von 26 Kisten um einen abgetrennten Raum im Keller von Mar-a-Lago. Der Keller ist allerdings auch Lagerort für Tische, Stühle und Sonnenschirme für den öffentlichen Bereich des Anwesens und Angestellte haben Zutritt zu dem Keller. Das Justizministerium habe bereits im Juni Überwachungsvideos aus dem Kellerbereich angesehen, auf dem mehrere Menschen zu sehen sind, die aus dem großen Lagerbereich kommen, berichtet die Zeitung. Für den kleinen Raum, in dem die Dokumente lagerten, soll es jedoch nur einen einzigen Schlüssel geben. Wer aber auf diesen Zugriff hat, ist unklar.
Kommt jetzt ein Special Master?
Das lässt sich noch nicht genau beantworten. Die Veröffentlichung des Justizministeriums am Freitag geschah jedoch auf Anordnung der Richterin, die über eine Einsetzung entscheidet. Trump möchte eine dritte Person einsetzen, die unabhängig die Ermittlungen überwacht und die Überprüfung der in Mar-a-Lago gesammelten Beweise durch das Justizministerium beaufsichtigen – auch, weil Trump die Razzia als unrechtmäßig ansieht. Der Special Master darf vertrauliches Material herausfiltern, die dem Anwalt-Mandanten-Privileg unterliegen, jedoch keine geheimen Regierungsdokumente. Trump will damit erreichen, dass alle beschlagnahmten privaten Dokumente zurückgegeben werden. Was genau der Special Master herausfiltern soll, haben aber Trumps Anwälte bislang nicht benannt. Im Antrag wird nur allgemein "vertrauliches und potenziell vertrauliches Material" aufgeführt.
Die US-Regierung argumentiert hingegen, dass mit dem Einsetzen eines Special Masters auch die Arbeit der Ermittler behindert wird. Die Einsetzung würde "die Geheimdienste daran hindern, ihre laufende Überprüfung des nationalen Sicherheitsrisikos durchzuführen, das durch die unsachgemäße Lagerung dieser hochsensiblen Materialien verursacht worden sein könnte, und Maßnahmen zur Behebung oder Milderung des durch die unsachgemäße Lagerung verursachten Schadens zu ermitteln", hieß es in einer Mitteilung. In dem am Freitag veröffentlichen Schreiben versicherten die Verfasser, Staatsanwalt Juan Antonio Gonzalez und Jay Bratt, Leiter der Spionageabwehr, dass alle Gegenstände, die einem möglichen Anwalt-Klienten-Privileg unterliegen, bislang nicht überprüft wurden. Alle anderen Dokumente wurden jedoch bereits einer vorläufigen Überprüfung unterzogen. Einen Teil an Dokumenten und Gegenständen hat Trump bereits zurückerhalten, darunter seinen Pass.
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Darf Donald Trump überhaupt noch Geheimdokumente besitzen?
Dazu gibt es erwartungsgemäß unterschiedliche Ansichten. Trumps Anwälte verweisen darauf, dass der Präsident alle Unterlagen freigegeben habe und sie demnach keiner Geheimhaltungsstufe mehr unterliegen würden. Belege dafür, dass es eine Freigabe der Dokumente gegeben hat, haben jedoch weder Trump noch seine Anwälte bislang vorgelegt.
Die US-Regierung und die Ermittler sehen die Sache etwas anders. Die sensiblen Dokumente hätten nach ihrer Ansicht niemals in Trumps Privatanwesen lagern dürfen, zumal Mar-a-Lago auch ein öffentlicher Klub mit Golfplatz, Pool und Restaurant ist. Dass das Anwesen nicht so gesichert ist, wie es sein sollte, belegte erst kürzlich die Veröffentlichung eines US-Mediums. Demnach gab sich eine Ukrainerin gegenüber der Security als Rothschild-Erbin aus und gelang so auf das Gelände – selbst ein gemeinsames Foto mit Donald Trump existiert. Erst Monate später stellte Trumps Team den Betrug fest.
Auch der ehemalige US-Justizminister William Barr, der von Februar 2019 bis Dezember 2020 unter Trump im Amt war, erklärt in einem Interview mit "FoxNews", dass es keinerlei Grund für Trump gab, geheime Dokumente in Florida zu lagern. "Ich kann mir keinen legitimen Grund vorstellen, warum klassifizierte Dokumente aus einem Regierungsgebäude und damit von der Regierung weggenommen werden", erklärte Barr. Was viele Leute nicht verstehen würden ist, dass selbst wenn die Dokumente nicht mehr klassifiziert wären, sie noch immer zum Besitz der Regierung und somit in das Nationalarchiv gehören würden. Die Menschen würden sagen, dass die Razzia im Anwesen des Ex-Präsidenten "beispiellos" gewesen sei, sagte Barr am Freitag dem konservativen Nachrichtensender Fox News. "Nun, es ist auch beispiellos, dass ein Präsident all diese Verschlusssachen mit in einen Country-Club mitnimmt."
Auch die Aussage der Anwälte, dass Trump in einer Art Zeremonie gleich ganze Chargen an Dokumenten freigegeben habe, tat Barr als Schwachsinn ab. "Zunächst einmal ist es sehr unwahrscheinlich, dass er das gemacht habe. Aber wenn er wirklich vor lauter Boxen gestanden hat und sie freigegeben hat, ohne zu wissen, was sich darin befindet, dann ist das Machtmissbrauch und fast schlimmer, als die Dokumente einfach mitzunehmen." Barr bezeichnete Trumps Ruf nach einem Special Master als "Red Herring", also ein Ablenkungsmanöver.
Quellen: Fox News, Washington Post, Reuters, AFP