CNN-Interview Boris Johnson erhebt Vorwurf: Deutschland wollte anfangs Niederlage der Ukraine – das sagt das Kanzleramt dazu

Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson
Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson (Archivbild)
© Marco Bertorello / AFP
Es ist ein schwerer Vorwurf, den Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson der Bundesregierung macht. Sie habe zu Beginn des Krieges gewollt, dass die Ukraine schnell verliert. Kanzler Olaf Scholz lässt dies dementieren.

Der britische Ex-Premier Boris Johnson erhebt im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine schwere Vorwürfe gegen die Regierungen mehrerer europäischer Länder, darunter auch die deutsche.

In einem Interview mit dem US-Sender CNN behauptete er unter anderem, Frankreich habe Russlands Invasionspläne zu lange geleugnet. "Wir konnten sehen, wie sich die russischen Einheiten formierten, aber verschiedene Länder hatten sehr unterschiedliche Sichtweisen." Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung über das Interview berichtet.

Boris Johnson macht Bundesregierung Vorwürfe

Härter wiegt jedoch ein Vorwurf Johnsons in Richtung der deutschen Bundesregierung. Sie habe zu Beginn von Putins Feldzug gewollt, dass die Ukraine schnell verliert! "Die deutsche Ansicht war zu einem bestimmten Zeitpunkt, dass es besser wäre – wenn es passieren würde, was eine Katastrophe wäre –, wenn die ganze Sache schnell vorbei wäre und die Ukraine aufgeben würde", sagte Johnson in dem Gespräch am Montag. Deutschland habe für eine Niederlage der Ukraine "alle möglichen stichhaltigen wirtschaftlichen Gründe" angeführt, so Johnson, ohne ins Detail zu gehen. "Das konnte ich nicht unterstützen, ich fand das eine katastrophale Sichtweise. Aber ich kann verstehen, warum sie so dachten und fühlten, wie sie es taten."

Letztlich haben nach Auffassung Johnsons jedoch die westlichen Regierungen ihre Haltungen nach dem Überfall der Ukraine überdacht. "Was passierte, war, dass alle – Deutsche, Franzosen, Italiener, alle, Joe Biden – sahen, dass es einfach keine Option gab. Weil man mit diesem Typen nicht verhandeln konnte", meinte der Ex-Premier mit Blick auf Wladimir Putin. Die Reaktion der EU sei "brillant" gewesen. "Nach all meinen Ängsten zolle ich dem Verhalten der EU Anerkennung. Sie stand zusammenvereint. Die Sanktionen waren hart", fuhr Johnson fort.

Regierungssprecher widerspricht Ukraine-Aussage

Und dennoch, der Vorwurf steht im Raum: Hat Deutschland vor oder zu Beginn der russischen Invasion tatsächlich eine schnelle Kriegsniederlage der Ukraine bevorzugt? Regierungssprecher Steffen Hebestreit dementierte am Mittwoch: "Wir wissen, dass der sehr unterhaltsame frühere Premier immer ein eigenes Verhältnis zur Wahrheit hat – das ist auch in diesem Fall nicht anders." Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Bundesregierung insgesamt hätten sich für substanzielle Waffenlieferungen an die Ukraine entschieden, von daher "sprechen die Fakten gegen diese Unterstellung".

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Fakt ist aber auch: Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Regierung haben nach dem 24. Februar lange gebraucht, um Waffenlieferungen an die angegriffene Ukraine im größeren Umfang in Gang zu bringen. Ein unmissverständliches Bekenntnis Scholz', dass die Ukraine den Krieg gewinnen müsse, steht weiterhin aus. In der Haushaltsdebatte im Bundestag sagte der Kanzler am Mittwoch: "Russland muss endlich aufhören mit diesem Krieg."

Quellen: CNN"Bild"-Zeitung, Bundesregierung, Nachrichtenagentur DPA