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Verbindung zum Fall Lübcke? "Combat 18", das Neonazi-Netzwerk unter den Initialen Adolf Hitlers

Stephan E., der Tatverdächtige im Fall des erschossenen CDU-Politikers Walter Lübcke, soll Kontakt zu der militanten Neonazi-Gruppe "Combat 18" gehabt haben. Was steckt hinter der Gruppierung?

"Wir gehen aufgrund des aktuellen Ermittlungsstandes davon aus, dass es sich um einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat handelt. Hierfür sprechen insbesondere das Vorleben und seine öffentlich wiedergegebenen Meinungen und Ansichten."

Die Rede ist von Stephan E., 45, der unter dringendem Tatverdacht stehe, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, 65, getötet zu haben. Sein "Vorleben" ist nun ein Fall für die Generalbundesanwaltschaft, wie Sprecher Markus Schmitt am Montag vor Medienvertretern bestätigte – die in erster Linie Taten terroristischer Vereinigungen verfolgt.

Was bisher über den Fall Lübcke bekannt ist, und was nicht, können Sie hier lesen.

Aktuell würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschuldigte einem rechtsterroristischen Netzwerk angehöre, so Schmitt weiter. Medienberichten zufolge soll der Verdächtige aber mindestens Kontakt zu der militanten Gruppierung "Combat 18" gehabt haben.

Der Verfassungsschutz bezeichnet "Combat 18" in seinem 2018 vorgelegten aktuellen Jahresbericht als "Beispiel für das Gefährdungspotenzial im gewaltorientierten Rechtsextremismus". Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, wollte am Dienstag zu möglichen "Combat 18"-Kontakten von E. noch keine Stellung nehmen (der stern berichtete).

Wer oder was ist "Combat 18"?

"Combat 18" (C18) ist eine Chiffre. Die Zahlen beziehen sich auf den 1. und 8. Buchstaben im Alphabet, also "A" und "H" – die Initialen von Adolf Hitler. Übersetzt, also: "Kampftruppe Adolf Hitler".

Die Gruppierung wurde laut Verfassungsschutz 1992 in England von Angehörigen der "British National Party" (BNP) als deren Saalschutz gegründet. Dort erlangte "C18" in der Folgezeit auch mediale Bekanntheit durch Gewaltakte und eine gezielte Einschüchterung politischer Gegner. Von Großbritannien aus entwickelte sich demnach ein Netzwerk, das in vielen europäischen Ländern aktiv ist.

Unter der Leitung zweier britischer Neonazis war "C18" laut Verfassungsschutz zunächst in der rechtsextremistischen Musikszene aktiv und hatte die einflussreiche neonazistische Skinheadorganisation "Blood & Honour" (B&H) nach dem Tod ihres Gründers Ian Stuart Donaldson 1993 übernommen.

Die Organisation propagierte nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer Gewalt als legitimes Mittel im politischen Kampf, um ihr Ziel – einen nationalsozialistisch geprägten Staat – zu verwirklichen. Sie verfolgt das Konzept des "führerlosen Widerstands", wie etwa das ARD-Magazin "Panorama" vor rund einem Jahr in einer ausführlichen Recherche offenlegte: Demnach sollen sich gewaltbereite Neonazis in kleinen autonomen Zellen organisieren, Waffendepots anlegen und ohne einen Befehl aus der "Führungsriege" Terroranschläge begehen.

Seit 2013 sei die Untergrundgruppe "Combat 18 Deutschland" aktiv, berichtete "Panorama". In Deutschland gab den Verfassungsschützern zufolge seit den 2000er Jahren immer wieder vereinzelte Hinweise auf örtliche "C18"-Sektionen. Diese Strukturen konnten sich demnach aber nicht über einen längeren Zeitraum weiterentwickeln und hatten letztlich keinen Bestand.

Wie ist "C18" organisiert?

Das geht zum Teil aus einem "Richtlinien"-Heft hervor, dass "Panorama" auswerten konnte. Darin hieß es, unter anderem:

  • "Jedes Bundesland/Gau bekommt seine Sektion (sofern ein Mitglied in diesem wohnt), mit einem Sektionsführer." 
  • Einmal monatlich müsse sich jede "Sektion" treffen.
  • Alle drei Monate finde ein bundesweites Treffen statt.
  • Die Gruppierung verstehe sich als "Bruderschaft", es gebe "Bruderpflichten" und Mitglieder würden als "Brüder" bezeichnet.
  • Zu "Treffen/Auswärtsfahrten" sei das Tragen der schwarzen Uniform mit "C18"-Emblem – ein feuerspeiender Drache – Pflicht. Das dürften aber nur "C18"-Mitglieder.
  • Außerdem soll es ein Schweigegelübde geben: "Alles Gruppeninterne darf NIEMALS mit Nichtmitgliedern besprochen werden. Absolute Verschwiegenheit", zitierte das ARD-Magazin aus dem Heft. 

Die "gewisse Waffenaffinität" von "C18"

"Anhaltspunkte, die auf die Entstehung einer rechtsterroristischen Vereinigung hindeuten, liegen derzeit nicht vor", heißt es im Bericht der Verfassungsschützer. Schwerpunkt von "C18" sei vielmehr die auch kommerzielle Beteiligung an kleineren rechtsextremistischen Musikveranstaltungen mit 80 bis 100 Teilnehmern.    

Tatsächlich gab es nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer weder vor noch nach dem Verbot der deutschen Division von "Blood & Honour" im Jahr 2000 zielgerichtete Bestrebungen, "C18" als "bewaffneten Arm" von "Blood & Honour" in Deutschland auszubauen. Aktuell lägen keine Erkenntnisse zur Ausprägung von "C18" Deutschland als einer militanten oder gar bewaffneten Gruppierung vor - wenngleich den Anhängern von C18 eine "gewisse Waffenaffinität" und "grundsätzliche individuelle Gewaltbereitschaft" zu unterstellen sei.    

Insofern müsse den Mitgliedern von "C18" Deutschland ein "prinzipielles Gefährdungspotenzial" zugemessen werden, so der Verfassungsschutz. Dabei bestehe auch die Möglichkeit, dass sich Einzelpersonen durch die Ideologie von "C18" so sehr indoktrinieren lassen, "dass sie mit schweren rechtsextremistischen Gewalttaten in Erscheinung treten".

Quellen:ZDF, "Panorama", WDR"Spiegel", "Bild", Mit Material der Nachrichtenagentur AFP

fs

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