Die Bundesregierung prüft mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die Bedrohung durch Russland den Kauf eines Raketenschutzschilds. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Überlegungen bestätigt, angesichts der Bedrohung durch Russland das israelische Raketenabwehrsystem "Iron Dome" anzuschaffen. "Ich kann Ihnen sagen, das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten – aus gutem Grund", sagte Scholz am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will". Die Einzelheiten des Vorhabens seien aber "noch nicht zu Ende abschließend beraten".
"Wir müssen uns alle darauf vorbereiten, dass wir einen Nachbarn haben, der gegenwärtig bereit ist, Gewalt anzuwenden, um seine Interessen durchzusetzen. Deswegen müssen wir uns gemeinsam so stark machen, dass das unterbleibt", so Scholz.
Raketenabwehr aus Israel für Deutschland?
Im Gespräch ist das israelische System Arrow 3, wie die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Agnes Strack-Zimmermann (FDP), am Sonntag dem Sender Welt sagte. Sie reiste zu Gesprächen über das Abwehrsystem nach Israel.
"Angesichts der Bedrohungslage und der unterschiedlichen Waffensysteme, die Russland hat", müsse die Bundesregierung sich auch mit einem Raketenabwehrsystem beschäftigen, sagte Strack-Zimmermann dem Sender. Es gebe verschiedene Optionen.
"Die Israelis stellen so etwas her, und deswegen macht es Sinn, sich mit diesen unterschiedlichen Szenarien nicht nur zu beschäftigen, sondern gegebenenfalls auch umgehend zu kaufen", fuhr die Verteidigungsexpertin fort. "Das muss alles sehr schnell gehen, aber auch sehr seriös besprochen werden."
Israelisches System könnte 2025 einsatzfähig sein
Das israelische System würde zwei Milliarden Euro kosten, berichtete "Bild am Sonntag" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Da es marktverfügbar sei, könnte es bereits 2025 einsatzfähig sein. "Iron Dome" (Eisenkuppel) ist die Bezeichnung für ein System der israelischen Raketenabwehr.
Für den Raketenschutzschirm würden demnach an drei Standorten in Deutschland Flugkörper-Radarsysteme vom Typ "Super Greene Pine" aufgestellt, die ihre Daten an den nationalen Gefechtsstand im nordrhein-westfälischen Uedem senden. Dort würden Luftwaffen-Soldaten das Lagebild auswerten. Im Ernstfall würde von einem der im Bundesgebiet verteilten Startgeräte eine "Arrow 3"-Rakete abgeschossen, die eine Angreiferrakete abfangen und zerstören würde.

Das Arrow-System wird von dem Unternehmen Israeli Aerospace Industries in Zusammenarbeit mit dem US-Flugzeugbauer Boeing entwickelt und hergestellt. Es ist in der Lage, ballistische Raketen oberhalb der Atmosphäre abzufangen. Auf israelischen Luftwaffenstützpunkten kommt Arrow-3 seit 2017 zum Einsatz.

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SPD befürwortet Kauf
Die Radargeräte sind der "Bild am Sonntag" zufolge so leistungsstark, dass der Schutzschirm auch Polen, Rumänien oder das Baltikum abdecken könnte. Die Nachbarländer müssten sich dann Arrow-3-Raketen kaufen, das Radarbild würde Deutschland liefern.
Die Zeitung berichtete, ein Raketenschutzschild sei bei einer Beratung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Generalinspekteur Eberhard Zorn in dieser Woche über die Verwendung des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr Thema gewesen. Eine Entscheidung sei noch nicht getroffen, allerdings befürworte die SPD den Kauf.
In Israel ist der "Iron Dome" im Einsatz gegen Raketenangriffe der Hamas. Das Abwehrsystem erfasst Raketen und versucht diese, mit eigenen Abwehrraketen zu zerstören. Da die Bedrohung gegen Israel aus dem nahe liegenden Gazastreifen kommt, beträgt die Reichweite der Abwehrraketen maximal 70 Kilometer. Damit kann allerdings nur eine Zone von sieben Kilometer Radius bzw. etwa 150 Quadratkilometer abgedeckt werden. Ein Video aus dem Jahr 2021 zeigt, wie der "Iron Dome" Raketen abfängt.
So funktioniert der "Iron Dome"
Der "Iron Dome" ist speziell dafür entwickelt, Schwarmattacken von Raketen abzuwehren, so wie sie häufiger aus dem Gazastreifen verübt werden. Eine Batterie besteht dabei aus einem Radar, einem Kontrollzentrum und bis zu vier Startern mit je 20 Raketen. Eine Einheit kann über 1000 Objekte erfassen und sechs angreifende Objekte gleichzeitig bekämpfen. Die Abläufe verlaufen dabei weitgehend vollautomatisch. Das System des Raketenabwehrschildes erfasst einen Start, berechnet die Flugbahn und Einschlagstelle und empfiehlt einen Einsatz, der dann freigegeben werden kann. Hinzu kommt, dass das "Iron Dome"-System regelmäßig mit Updates nachgebessert werden kann. Auch wenn dieses Abwehrsystem in Israel sehr gut funktioniert, schützt es aber nicht zu 100 Prozent.

Aus der CDU kommt allerdings Kritik an Überlegungen der Bundesregierung zur Anschaffung eines Schutzschirms gegen Raketenangriffe. "Die Ressourcen wären falsch eingesetzt, wenn Deutschland jetzt Milliarden in ein rein nationales, neues Raketenabwehrsystem investiert", sagte der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montagsausgaben). Gegen Russlands Hyperschallwaffen sei das Abwehrsystem machtlos, und ohnehin sei die Bundesrepublik derzeit keiner akuten Bedrohung ausgesetzt.
Kritik aus der CDU
"Bei einem Raketenschutzschirm über Deutschland würde man annehmen, dass über Polen hinweg auf uns geschossen wird", sagte Kiesewetter. "Das ist gegenwärtig nahezu ausgeschlossen." Kiesewetter forderte die Bundesregierung auf, zuerst nüchtern zu analysieren, welchen vielfältigen Bedrohungen Deutschland tatsächlich ausgesetzt sei und welche Maßnahmen wirklich eilig und wichtig seien. "Anstatt Milliarden in einen 'Iron Dome' zu stecken, den unsere Nachbarländer viel dringender brauchen, sollten wir die Bundeswehr und den Zivilschutz finanziell besser ausstatten", sagte er.
Grundsätzlich befürwortet Kiesewetter aber einen stärkeren Schutzschirm an der Nato-Außengrenze. "Ein Schutzschirm über Deutschland und den Nachbarländern ist kurzfristig nicht möglich, sollte aber mittelfristig in die Nato-Luftverteidigung integriert werden", sagte er.