Entweder, die Bundesregierung ist unsicher geworden oder sie will nun "endgültige" Beweise, um ihre Unschuld zu beweisen. Zumindest bittet sie im Streit um die Rolle deutscher Geheimdienst-Agenten im Irak um Aufklärung aus Washington.
Man habe sich auf verschiedenen Wegen an die US-Regierung gewandt, um Informationen über einen umstrittenen amerikanischen Geheimbericht zu erhalten, sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Dieser Bericht war es, der die "New York Times" dazu veranlasst hatte, über Agenten des Bundesnachrichtendienstes zu berichten, die vor Kriegsbeginn im Irak den Verteidigungsplan für Bagdad an die US-Regierung weitergegeben haben sollen.
Treffen die Informationen zu, dann hätte Deutschland entgegen öffentlicher Bekundungen gegen einen Waffengang wesentlich enger mit den USA zusammengearbeitet, als bekannt geworden ist.
"Was hat es mit dem Bericht auf sich?"
Steg sagte, die Regierung habe sich an die US-Regierung gewandt, um herauszufinden, ob es den von der "New York Times" zitierten Geheimbericht gebe und "was es damit auf sich hat". Bislang aber habe es keine Antwort aus Washington gegeben. Die Regierung sei aber optimistisch, dass es eine Antwort geben werde.
Derweil äußern Diplomaten, US-Regierungsbeamte und Experten Unverständnis über die Deutschen und reagieren erstaunt bis befremdet über die Aufregung in Berlin über die "angebliche" Zusammenarbeit des BND mit den Amerikanern vor dem Irak-Krieg.
Als "völlig absurd" kennzeichnete der Deutschland-Experte und Direktor des Atlantischen Rats in den USA, Helmut Sonnenfeld, die Vorstellung, es gebe eine Art Verschwörung, in der die US-Regierung mit Hilfe der "New York Times" gezielt Berliner Politiker oder gar die schwarz-rote Regierung diskreditieren wolle.
Wer so etwas sage, wisse nichts "über die inzwischen fast verbissene Gegnerschaft der "Times" zu George W. Bush und überhaupt geht so etwas mit dieser Zeitung nicht", sagte das ehemalige Mitglied des US-Sicherheitsrats und Wissenschaftler am "Brookings"-Institut.

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Unterschiedlich wird in Washington die angebliche Übergabe des Verteidigungsplanes an die USA bewertet. Sonnenfeld sieht durchaus Indizien, dass "Deutschland auch für die Invasion sehr hilfreich war". Die Frage sei, auf welcher Ebene das in Berlin bekannt war. "Hier gab es die Theorie der zwei Klaviere, auf denen Schröder spielt: öffentlich den Krieg ablehnen, und hinter den Kulissen tatkräftig helfen."
Motiv: PR für Gordons neues Buch zu machen
Wenn aber die jüngsten "New York Times"-Berichte tatsächlich darauf gezielt hätten, Politik in Deutschland zu beeinflussen, "warum wurden sie dann nicht vor der Bundestagswahl veröffentlicht?" heißt es in US-Regierungskreisen - in denen Schröder nicht sehr populär war. Motiv der jüngsten Artikel sei doch wohl in erster Linie, die Werbetrommel für das neue Buch des Autors Michael Gordon zu rühren.