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Umsturz am Tag der Deutschen Einheit geplant "Revolution Chemnitz": Wie eine rechte Terrorzelle "das Regime" stürzen wollte

Einer der mutmaßlichen Rechtsterrroisten von "Revolution Chemnitz" nach seiner Festnahme am Bundesgerichtshof in Karlsruhe
Einer der mutmaßlichen Rechtsterrroisten von "Revolution Chemnitz" nach seiner Festnahme am Bundesgerichtshof in Karlsruhe
© Christoph Schmidt / DPA
Sie nannten sich "Revolution Chemnitz" und hatten wilde Umsturz-Fantasien. Sieben Männer sind in U-Haft und werden es nach einem Beschluss des BGH auch bleiben. Das Papier der Richter gibt einen erschreckenden Einblick in die Pläne der Rechtsterroristen.

Chemnitz verschwand gerade wieder aus den (Negativ-) Schlagzeilen. Nachdem Ende August und Anfang September des vergangenen Jahres nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen mehrfach Rechtsextreme durch die sächsische Stadt marschierten und fremdenfeindliche Ausschreitungen lostraten, kehrte die Normalität langsam zurück – bis Chemnitz am 14. September erneut im Scheinwerferlicht stand.

Eine selbsternannte "Bürgerwehr" soll auf der Schlossteichinsel unter "Ausländer raus"-Rufen eine Gruppe von Migranten mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Messer angegriffen und mehrere Menschen verletzt haben. Bei den Ermittlungen stießen Polizei und Staatsanwaltschaft auf eine Chatgruppe im Messenger "Telegram". Ihr Name: "Planung der Revolution". Ihr Profilbild: "Revolution Chemnitz". Ihre Mitglieder: Hooligans, Skinheads, Neonazis.

"Revolution Chemnitz" plante "Systemwechsel"

Dass das mit der Revolution ernst gemeint war, zeigt jetzt ein Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH). Auf 19 Seiten führen die Richter auf, warum sechs Mitglieder der Gruppe in Untersuchungshaft bleiben müssen – und geben verstörende Einblicke in ein Netzwerk, das laut Selbstbeschreibung "etwas bewegen" wollte, genauer "eine Wende in der Geschichte Deutschlands einleiten". So schrieben es die Rechtsextremisten in ihrer Chatgruppe laut BGH. Die Pläne waren demnach erschreckend konkret:

Die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in Berlin sollten das Fanal der Revolution werden, ein symbolträchtiger Ort, ein symbolträchtiges Datum. Und, so die Logik der Verdächtigen, dort sitzen "die Leute", die "abgesetzt werden müssen", und zwar mit Gewalt. Die Pläne zur Beschaffung von halbautomatischen Schusswaffen sollen bereits fortgeschritten gewesen sein. Wie genau der Umsturz ablaufen sollte, hielten die Rechtsterroristen in ihrer Chatgruppe nicht fest.

An Planungen für die Zeit danach fehlte es allerdings offenbar nicht. "Normale Bürger" sollten in den "Systemwechsel" miteinbezogen werden, Polizisten dabei helfen, "das Regime zu stürzen". Ein Aufstand "gegen Linksparasiten, Merkel-Zombies, Mediendiktatur und deren Sklaven", die Abschaffung des Rechtsstaats, getrieben von nationalsozialistischer Ideologie.

Der Übergriff auf die Migrantengruppe Mitte September sei eine Art "Probelauf" für die geplante Revolution gewesen, stellen die BGH-Richter fest. "Weitere Gewaltakte" sollten folgen, für ihre Aktionen hätten die Männer durch ihre gute Vernetzung auch  "eine größere Zahl von Anhängern und Aktivisten zusammenbringen" können, sind sich die Ermittler sicher.

Die Umsturzpläne flogen auf

Die Revolutionspläne flogen auf, die "Generalprobe" wurde jäh gestoppt, weil die Polizei am 14. September auf der Chemnitzer Schlossteichnisel anrückte und den fremdenfeindlichen Übergriffen ein Ende bereitete. Christian K. wurde festgenommen, sein Handy beschlagnahmt und die brisanten Inhalte entdeckt.

K. gilt als den Ermittlern als Rädelsführer und Ideengeber von "Revolution Chemnitz". Gegen ihn und seine sechs Mitstreiter läuft nun ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der "Gründung einer und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung".

Generalbundesanwalt Peter Frank hatte im März das Verfahren gegen die Gruppe im Bereich Rechtsterrorismus als "eines der bedeutendsten Verfahren, die wir gegenwärtig führen", bezeichnet.

Die U-Haft für die Beschuldigten dient der Sicherstellung des Strafverfahrens. Der Rechtsstaat wehrt sich gegen die Pläne zu seiner Abschaffung. Die Revolution ist abgesagt und wird vermutlich auf der Anklagebank enden.

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Quellen:Bundesgerichtshof, Generalbundesanwalt, Nachrichtenagentur DPA

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