Afghanistan Steinmeiers KSK-Manöver

  • von Tiemo Rink
Die Regierung zieht die Elitetruppe KSK aus Afghanistan ab. So wollte es Außenminister Steinmeier, die SPD bejubelt den Sieg. Die CDU geht als Verlierer vom Feld - und braucht sich nicht zu grämen.

Eigentlich ist es verblüffend. Als der Bundestag Anfang Oktober die Verlängerung des ISAF-Mandates beschloss, drohte Krach in der Großen Koalition. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wollte zukünftig keine Kämpfer des Kommandos Spezialkräfte (KSK) mehr für "Operation Enduring Freedom" (OEF) bereitstellen - die Union protestierte lautstark. Drei Wochen später steht nun fest: Steinmeier hat sich durchgesetzt - doch die Konservativen protestieren nicht. Was ist da los?

Der Kabinettsbeschluss am Mittwoch besiegelt Steinmeiers Wille, deutsche Soldaten in Afghanistan künftig nur noch im Rahmen der ISAF einzusetzen. Dafür plädierte die SPD schon vor drei Wochen, als der Bundestag entschied, die Zahl die deutschen ISAF-Truppen auf 4500 Mann aufzustocken. Im Gegensatz zu dem amerikanisch geführten Anti-Terror-Einsatz OEF hat die ISAF-Mission ein Uno-Mandat und ist auf den Wiederaufbau des Landes ausgerichtet. Zwar will sich die Bundesregierung auch weiterhin an der unpopulären OEF-Kampagne beteiligen, zum Beispiel am Horn von Afrika - aber die Obergrenze wird von 1400 auf 800 Soldaten abgesenkt. Und in Afghanistan steigt Deutschland komplett aus.

"Die Union guckt in die Röhre"

Ein Sprichwort besagt, dass Politik die Kunst des Kompromisses sei. Wenn es danach geht, müsste die Große Koalition ein großes, buntes Kunstwerk sein. In sicherheitspolitischen Fragen jedoch scheint sich in den vergangenen Wochen immer wieder die SPD durchzusetzen. So auch beim Abzug der Elitesoldaten der KSK.

"Die Bundesregierung kommt einer Forderung der SPD nach", frohlockt ein sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter hinter vorgehaltener Hand. "Momentan guckt die Union ziemlich in die Röhre. Wir haben uns in zwei wichtigen Fragen durchgesetzt: dem Rückzug der KSK und dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren." Tatsächlich scheiterte die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble im Koalitionsausschuss eingebrachte Gesetzesvorlage, wonach die Bundeswehr künftig auch im Inland aufmarschieren können sollte, am heftigen Widerstand der SPD-Fraktion. "Die Laune bei der Union dürfte deshalb nicht die Beste sein", sagt der Abgeordnete.

Sein Genosse, der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel, sieht die Lage etwas nüchterner. Der OEF-Einsatz der KSK sei ohnehin nur "theoretisch" gewesen. Faktisch sei die Truppe von den USA seit Jahren nicht mehr angefordert worden, sagt Meckel im Gespräch mit stern.de. Aus diesem Grund war es für Steinmeier politisch keine allzu große Herausforderung, den Abzug der KSK zu verlangen.

Union schwenkt um

Dass es sinnfrei gewesen wäre, auf dem KSK-Einsatz zu beharren, hat sich mittlerweile auch in der Union herumgesprochen. Vollmundig erklärt der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden im Gespräch mit stern.de, es gäbe in der Großen Koalition gar keine unterschiedlichen Meinungen. "Ich persönlich habe den Vorschlag der Bundesregierung [die KSK abzuziehen] schon immer gut gefunden", sagt von Klaeden. Sein Parteifreund Karl-Theodor zu Guttenberg, CDU/CSU-Obmann im auswärtigen Ausschuss, war vor wenigen Wochen noch ganz anderer Meinung. "Steinmeier sendet Signale zum Ausstieg aus der OEF und verlässt damit den Koalitions- und Regierungskonsens", schimpfte zu Guttenberg damals. Salomonisch kommentiert Anke Eymer (CDU), Mitglied des auswärtigen Ausschusses: "Es gibt keine uniforme Meinung bei uns. Manchmal gibt es halt Standpunkte, die man auch überdenken muss."

Die Wunden der SPD

Sozialdemokratischer Erfolg also auf ganzer Linie? Nicht unbedingt. Ebenso gut denkbar erscheint ein Szenario, nachdem Steinmeier mit dem Abzug der KSK die immer lauter werdende Kritik innerhalb der SPD am Afghanistan-Einsatz ersticken möchte. Zwar darf die Elitetruppe zukünftig nicht mehr unter OEF-Mandat am Hindukusch kämpfen - sehr wohl aber unter dem ISAF-Mandat. Ob sich dadurch substanziell etwas ändert, ist fraglich. "Für die Union war KSK schon immer reine Symbolpolitik gegenüber den USA", sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Stinner zu stern.de.

Von diesem Symbol abzukehren sei nun umso leichter, da sich mittlerweile gezeigt habe, dass die USA hauptsächlich an einer Ausweitung des deutschen Engagements in ganz Afghanistan interessiert seien, so Stinner weiter. Und genau das passiert – schließlich können unter dem ISAF-Mandat zukünftig 1000 deutsche Soldaten mehr nach Afghanistan geschickt werden. "Die Sozialdemokraten instrumentalisieren die KSK. Das ganze Manöver ist doch nur Salbe auf die Wunden der SPD", so Stinner zu stern.de. Wenn die nächsten Särge mit toten deutschen ISAF-Soldaten die Bundesrepublik erreichen, dürfte die Wirkung der Salbe schnell nachlassen.