Merz fordert umfassende Aufklärung
Verteidigungsminister Rudolf Scharping gerät wegen seines Verhaltens bei der Beschaffung von 73 Airbus-Militärflugzeugen erneut unter Beschuss. Unionsfraktionschef Friedrich Merz forderte Scharping auf, umgehend darüber aufzuklären, ob er tatsächlich umfangreicher Schadensersatzzusagen gemacht habe als vom Bundestag genehmigt. Der Unionsabgeordnete Austermann sprach von einer »unglaublichen Unverschämtheit« und forderte Scharpings Rücktritt. Auch aus den eigenen Reihen kam heftige Kritik - insbesondere vom grünen Haushaltsexperten Oswald Metzger, der als erster Koalitionspolitiker offen Scharpings Rücktritt verlangte.
Dem Haushaltausschuss bekannt?
Am Mittwoch wurde bekannt, dass Deutschland nun doch Schadenersatz zahlen muss, wenn es weniger als die international zugesagten 73 Militärtransportmaschinen vom Typ Airbus A400M kauft. Dies bestätigte am Abend die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Brigitte Schulte (SPD). Sie betonte zugleich, die Regelung sei bei internationalen Verträgen völlig üblich. Dem Haushaltsausschuss des Bundestages sei dies bekannt.
»Unglaubliche Unverschämtheit«
Der SPD-Haushaltspolitiker Volker Kröning bemängelte, es spreche zurzeit einiges dagegen, »dass der Beschluss des Haushaltsausschusses 1:1 umgesetzt wird«. Metzger warf Scharping einen »Amoklauf gegen das Parlamentsrecht« vor und forderte den Rücktritt. Der Unions- Haushaltsexperte Dietrich Austermann sprach von einer »unglaublichen Unverschämtheit«. Scharping habe seine Zusage gegenüber dem Parlament nicht eingehalten, dass er keinen Schadenersatz garantiere. Der Minister sei jetzt »nicht mehr zu halten«.
Schulte nannte die Rücktrittsforderungen an Scharping unsinnig. Der Minister selbst erklärte am Rande politischer Gespräche in Washington, er halte sich »strikt an Beschlüsse des Parlaments«.
Am späten Abend schob das Ministerium in Berlin eine Erklärung nach: »Die Beschlüsse des Haushaltsausschusses vom 20. März 2002 werden in vollem Umfang durch das MMVg umgesetzt«, wurde bekräftigt. Die Schadenersatzverpflichtung Deutschlands werde »voll inhaltlich den Verpflichtungen der anderen am Vorhaben beteiligten Nationen entsprechen«. Und es werde »keine darüber hinaus gehende Schadenersatzverpflichtung Deutschlands geben«.
Bundesverfassungsgericht musste entscheiden
Seit der Unterschrift der Bundesregierung im vorigen Dezember unter den Vertrag für die Bestellung der neuen Maschinen streiten sich vor allem die Haushaltsexperten der Union, der Grünen und der PDS mit dem Ministerium um die Finanzierung. Die Union war im Januar vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, weil sie das Haushaltsrecht des Parlaments verletzt sah. Im laufenden Etat sind 5,1 Milliarden Euro eingeplant, was laut Union nur für 40 Flugzeuge reicht. Scharping hatte daraufhin in Karlsruhe von einer Absichtserklärung für die restlichen 33 Maschinen gesprochen, über deren Finanzierung der neue Bundestag entscheiden werde.
Kein alleiniger, deutscher Schadensersatz
Schulte sagte nun, es gebe keinen Unterschied zwischen der Vertragsunterzeichnung und der politischen Absichtserklärung. Wenn Deutschland nicht alle 73 Flugzeuge abnehme, werde es vertragsbrüchig und müsse Schadenersatz zahlen. Dem Parlament sei nur zugesagt worden, dass eine ursprüngliche Forderung der Partnerländer nach alleinigem Schadenersatz Deutschlands nicht akzeptiert werde.
Auf die Fragen, wie viele Flugzeuge Deutschland für 5,1 Milliarden Euro kaufen könne, wie viel Schadenersatz es pro nicht abgenommene Maschine zahlen müsse und welche Summe dafür im jetzigen Haushalt eingestellt sei, sagte Schulte gestern Abend: »Das sind rein theoretische Fragen.« Lieferung und Zahlung stünden 2008 aus. Deshalb seien heute »alle Zahlen spekulativ«. Schulte: »Das kann man erst seriös beantworten, wenn die Haushaltslage so ist, dass wir sagen: Wir steigen aus.«