Kein Rücktritt Aiwanger entschuldigt sich für Flugblatt-Affäre – und spricht von politischer Kampagne gegen ihn

Hubert Aiwanger bittet in Flugblatt-Affäre um Entschuldigung – und spricht von politischer Kampagne gegen ihn
Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat sich in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten entschuldigt.
© Screenshot: BR24
Sehen Sie im Video: Nach Flugblatt-Affäre: Aiwanger entschuldigt sich – lehnt aber Rücktritt ab.
In der Flugblatt-Affäre hat sich Hubert Aiwanger entschuldigt, insbesondere bei Opfern des NS-Regimes. Bayerns Vize-Regierungschef sieht aber auch eine "politische Kampagne" gegen ihn und seine Partei.

Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hat sich in der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten entschuldigt. Er bereue zutiefst, wenn er durch sein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehen Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen ihn aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe, sagte Aiwanger am Donnerstag in München. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten und der wertvollen Erinnerungsarbeit."

Von einem möglichen Rücktritt war in seinem kurzen Statement keine Rede.

"Ich war nie ein Antisemit, ich war nie ein Menschenfeind", fuhr Aiwanger weiter aus. Er könne sich nicht erinnern, jemals einen Hitlergruß gezeigt zu haben. "Ich habe keine Hitler-Reden vor dem Spiegel einstudiert." Menschenfeindliche Witze könne er "aus meiner Erinnerung weder vollständig dementieren noch bestätigen". Er entschuldige sich aber dafür in aller Form, "sollte dies geschehen sein", so Aiwanger. 

Am Ende seines Statements setzte der Wirtschaftsminister Bayerns auch zum Gegenangriff an: "Es ist jedoch nicht akzeptabel, dass diese Verfehlungen jetzt in einer politischen Kampagne gegen mich und meine Partei instrumentalisiert werden". Er habe den Eindruck, er solle "politisch und persönlich fertiggemacht" werden. Von ihm sei ein negatives Bild in den letzten Tagen gezeichnet worden. "Das bin nicht ich. Das ist nicht Hubert Aiwanger", schloss er das Statement und ließ keine Fragen zu, ehe er den Raum der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz wieder verließ.

Zahlreiche Vorwürfe gegen Hubert Aiwanger

Gegen den Chef der Freien Wähler waren zuletzt weitere Vorwürfe zu seiner Schulzeit laut geworden waren. Auf Aiwangers Account im Online-Netzwerk X (früher Twitter) wurde am späten Mittwochabend folgende Nachricht veröffentlicht: "Es wird immer absurder. Eine andere Person behauptet, ich hätte Mein Kampf in der Schultasche gehabt. Wer lässt sich solchen Unsinn einfallen!?" In aller Regel verfasst der Freie-Wähler-Chef sämtliche Posts selbst. Ob das auch diesmal der Fall war, dafür gab es zunächst keine Bestätigung.

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor eine nicht namentlich genannte frühere Mitschülerin Aiwangers zitiert, dieser habe oft Adolf Hitlers "Mein Kampf" in der Schultasche mit sich geführt. Sie könne dies bestätigen, weil sie das Buch selbst in der Hand gehalten habe.

Der Druck auf Aiwanger war zuletzt weiter gewachsen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte ebenso weitere Aufklärung gefordert wie CDU-Parteichef Friedrich Merz. Beide bezeichneten die Vorwürfe als "höchst unappetitliche Geschichte". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte seinem Vize zuvor einen Katalog mit 25 Fragen zum Thema zur schriftlichen Beantwortung vorgelegt.

Auf Antrag von SPD, Grünen und FDP war zudem eine Sondersitzung zu der Flugblatt-Affäre im bayerischen Landtag für 7. September einberufen worden. Dort sollte der sogenannte Zwischenausschuss zum Thema tagen.

Bericht über antisemitisches Hetzblatt hatte Affäre ausgelöst

Die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag) hatte über das Flugblatt mit antisemitischen Inhalten berichtet. Die Freien Wähler hatten die aktuellen Vorgänge zuletzt als "Schmutzkampagne" kritisiert. Aiwanger schrieb auf X/Twitter am Mittwoch: "#Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los. #Aiwanger". Aufklärungsforderungen auch von Kanzler Olaf Scholz werden von den Freien Wählern zurückgewiesen: Der SPD-Politiker wolle sich ja nicht einmal an Dinge erinnern können, die nur wenige Jahre zurückliegen.

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die CSU hatte stets erklärt, die Koalition mit den Freien Wählern nach der Wahl fortsetzen zu wollen. Alle Umfragen hatten bis zuletzt auch fast keinen Zweifel daran gelassen, dass dies auch möglich sein wird. Die CSU regiert im Freistaat seit 2018 zusammen mit den Freien Wählern. Die Folgen der aktuellen Krise waren zunächst vollkommen unabsehbar.

Aiwanger war bereits im Juni bundesweit in die Schlagzeilen geraten, wegen umstrittener Äußerungen auf einer Kundgebung in Erding. Er hatte dort unter anderem gesagt, dass die schweigende Mehrheit sich die "Demokratie zurückholen" müsse. Ihm wurde daraufhin - wie schon so oft - Populismus und nun auch eine Wortwahl à la AfD vorgehalten.

DPA · Reuters
fin / mth