Schießen kann er. Ins Schwarze trifft er immer, zuhause im Schützenverein im oberbayerischen Peißenberg. Dann benutzt er Kleinkaliber. Ins Rote ballert Alexander Dobrindt auch. Mit Grobkaliber, wenn es im Politischen gegen die SPD geht, speziell die bayerische. "Die spielt in Bayern keine Rolle mehr. Parteien sind dann überflüssig, wenn sie nicht mehr wahrgenommen werden, wie dies bei der bayerischen SPD der Fall ist. Die kann daher kein Sprachrohr der Menschen mehr sein."
Das sagt der neue Generalsekretär der CSU mit sanfter Stimme. Lächelt in sich ruhend. Kann das jener Dobrindt sein, der den hessischen SPD-Spitzenmann Thorsten Schäfer-Gümbel schon mal einen "Fall für den Notarzt" genannt hat? Und wie soll dieser gelassene Mann auf einem Posten zurecht kommen, auf dem ein Edmund Stoiber einst als "blondes Fallbeil" die aggressiven Maßstäbe gesetzt hat? Wie will dieser Dobrindt Sehnsüchte nach einem Markus Söder verdrängen, der in der Münchner CSU-Zentrale dreimal täglich verbal so auf den Tisch zu hauen pflegte, dass die politische Konkurrenz ihn schließlich in einer speziellen Steigerungsform attackierte: Blöd, Blöder, Söder.
Dobrindt will authentisch bleiben
Der 38-Jährige Dobrindt, ein studierter Soziologe, lehnt die Schublade der Krawallmacher ab. Er will authentisch bleiben. Dazu passt die Harke, mit der Söder den politischen Nahkampf betrieb, aus seiner Sicht nicht. "Ich will mich auch vor mir selbst wohl fühlen." Scharf schießen gehöre zwar zum Job des CSU-Generalsekretärs dazu. Aber in Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise seien Dialog, Verständnis und Zuhören wichtigere Tugenden. Und als wolle er mal schnell beweisen, dass er durchaus kann, wenn er nur will, liefert er im Gespräch mit stern.de eine Kostprobe, dass er sehr wohl im Konfliktfall den Tenor der politischen Kriegserklärung beherrscht. Sagt zu der Kritik an Erika Steinbach, die zeitweilig für den Beirat der Vertriebenen-Stiftung kandidiert hatte: "Frau Steinbach ist da einem Rufmord ausgesetzt worden, einer Kampagne von unseriösen Politikern der SPD, der Grünen und anderen." Beschämend sei das, was da gelaufen sei.
Wer Dobrindts politischen Positionen en detail abfragt, hört allerdings mehr politisch überraschende Töne als polemische. Wie steht er zu den Grünen? "Meine Hand ist ausgestreckt." Leider seien sie trotz behaupteter programmatischer Offenheit eine verknöcherte Partei. Die Lage der CSU nach ihrem dramatischen Rücksturz auf 43 Prozent bei der letzten Landtagswahl schönt er mit keinem Wort. "Wir sind zu sehr als geschlossene Gesellschaft wahrgenommen worden." Venachlässigt habe die CSU, was außerhalb ihrer Welt passierte.
"Die Mitte" zurückerobern
Dabei klammert er aus, dass er es war, der noch im Januar 2007 auf der Zugspitze, die in seinem Wahlkreis liegt, eine Solidaritätsaktion für Stoiber organisiert hat. Jenen Mann, der den CSU-Abstiegs von den Höhen der absoluten Mehrheit in die Niederungen einer Koalition mit den Liberalen durch eine weit von den Sorgen der Wähler entfernte Politik zu verantworten hatte. Jetzt will Dobrindt am Wiederaufstieg mitwirken. "Die CSU will wieder Plattform sein, auch für eine Gesellschaft außerhalb unseres Parteibuchs." Offenheit heißt sein Schlüsselwort. Auf einem Parteitag im Juli wird ein Antrag verabschiedet, der die CSU als "offene, moderne Partei" definieren soll. Seine Partei müsse "die Mitte" der Gesellschaft zurück erobern. Beim Sport, am Stammtisch, in den Vereinen habe die CSU an Boden verloren. "Da müssen wir wieder hin."
Voll hinter dem neuen CSU-Chef Horst Seehofer steht er. Dem Mann, der Junge ranlässt, wie den politischen Senkrechtstarter Karl-Theodor zu Guttenberg, oder seine Partnerin an der CSU-Spitze, die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär, 30 Jahre jung. Eine, die dem politischen Gegner lächelnd die Zähne zeigt und die CSU beruhigt, weil sie aus Franken stammt. Oder eben ihn selbst. Ist in der CSU damit Jungsein schon ein Qualitätsmerkmal? Dobrindt: "Nein, aber ein wichtiges Zeichen von Veränderung, das leichter wahrgenommen wird als Inhalte. In welcher Partei bekommen denn Leute in meinem Alter so eine Chance der politischen Mitbestimmung?" Er glaubt, die SPD werde zu einer sterbenden Partei, wenn sie in Berlin aus der Regierung falle. Die CSU andererseits will er zur "modernsten, offensten und frischesten Partei in Deutschland machen".
Abgrenzung zur CDU
Durchaus damit, dass er sie deutlich von der Schwesterpartei CDU abgrenzt. Der teilte er ziemlich barsch mit, man möge sich mal darin erinnern, dass die CDU, die immerhin die Kanzlerin stellt, ohne die CSU-Wähler bundesweit bei etwa 27 Prozent liege. Die Botschaft im Klartext: Ohne uns seid ihr so schwach wie die SPD. Was Dobrindt auch nicht ausspricht: Dass Merkels Zielgröße von 40 Prozent bei der Bundestagswahl nicht erreichbar ist, wenn die CSU nicht wieder attraktiver für die Wähler wird. Davon lenkt er geschickt ab, indem er laut den politischen Kraftakt vor allem bei der Kanzlerin anmahnt: "Die starken Stimmen aus dem Süden können nicht alles ausgleichen was anderswo in Deutschland fehlt." Und wenn Angela Merkel klagt, die Beziehung der CSU zur CDU bestehe seit langem aus einer "Bündelung und Reibung der Kräfte", antwortet er darauf nur indirekt. "Seehofer ändert die CSU." Soll wohl heißen: Möge doch die Kanzlerin sich und die CDU auch neu aufstellen.
Dobrindt, seit 2002 im Bundestag, war zuvor drei Jahre wirtschaftspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe in Berlin gewesen. Parallel zum CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos, von dem in dieser Zeit nichts zu hören war - von Dobrindt ebenso wenig. Er habe eben solidarisch zu Glos gehalten, sich stets mit ihm abgestimmt, auch wenn der den Kampf mit dem politischen Gegner arg vernachlässigte. "Er hätte halt den Peer Steinbrück mal zwischen die Hörner hauen sollen."

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CSU als "Antreiber"
Er selbst will fortan Raufhändeln nicht länger ausweichen. Er sieht die CSU als "Antreiber". Allerdings geht er dabei ebenfalls gerne gegen CDU und Kanzlerin vor. Was es ein schweres Ringen um die Erbschaftssteuerreform gewesen sei, seufzt er im Blick zurück. Und sieht er nach vorne, mosert er an der Honorarreform herum, die mit dem Gesundheitskonzept über Ärzte und Patienten gekommen sei wie ein Schlagwetter. Was die CSU mit beschlossen hat, soll wieder geändert werden, fordert er.
Die Standortsuche wird den neuen Lautsprecher Seehofers auch persönlich noch beschäftigen. Als einer von ganz wenigen Unionsabgeordneten hat er den EU-Vertrag von Lissabon abgelehnt. Wie die Linkspartei. "Europa muss ein Europa der Bürger sein", fordert er, was ebenfalls massive Kritik an der Bundesregierung ist. Die Direktwahl der Europaabgeordneten ist sein Ziel. Das wiederum passt zu dem Bayern, der gerne Schwammerlsuppe mit selbst gesuchten Pilzen isst und auf die Frage, was denn er an Bayern am meisten schätze, antwortet: "Das starke Selbstbewusstsein." Nach seinem persönlichen Lebensmotto passt er gut ins neue Amt. Das lautet, "wer Berge versetzen will, muss anfangen kleine Steine wegzutragen". Gut gerüstet dafür sieht er sich. Die Bandbreite seiner Werkzeuge reiche vom Skalpell bis zum Breitschwert.
Mit Skalpell gegen Merkel, mit Breitschwert gegen die SPD?