Althaus zurück im Amt "Fühle mich fit, fühle mich gut"

  • von Lars Radau
Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus räumt bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seinem Skiunfall erstmals seine "Schuld" an dem Unglück ein, bei dem eine 41-Jährige Mutter starb. Doch wichtiger als dieses Eingeständnis scheint dem Politiker die Botschaft, dass er "wieder da" ist.

Der entscheidende Satz fällt nach wenigen Minuten. Das Gutachten zu seinem Skiunfall, sagt Dieter Althaus, habe klar ergeben, "dass ich Schuld trage". Der Thüringer Ministerpräsident hält kurz inne, hebt seinen Kopf leicht und blickt fest in die vielen Kameras, die im Barocksaal der Erfurter Staatskanzlei auf ihn gerichtet sind. "Das belastet mich, ich trage schwer daran." Er habe gleichwohl denen zu danken, die "in dieser schweren Zeit" zu ihm gestanden haben, zuallererst seiner Frau.

Am Neujahrsmorgen war Althaus in Österreich beim Skifahren in eine falsche Piste eingebogen und mit einer 41-jährigen Frau zusammengestoßen. Der Politiker, der einen Helm trug, überlebte den Unfall mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma, die Frau, Mutter eines einjährigen Sohnes, starb. Ein österreichisches Gericht hatte Althaus deshalb bereits zu einer Geldstrafe und Schmerzensgeld-Zahlungen verurteilt.

"Schuld" nicht die richtige Kategorie

Doch bis heute, dem Tag, an dem sich Althaus in Erfurt mit einer Pressekonferenz als Ministerpräsident auf der politischen Bühne zurückmelden will, hatte der Politiker den Begriff "Schuld" stets vermieden. "Das ist nicht die richtige Kategorie, um solch ein tragisches Unglück zu bewerten", hatte der 50-Jährige im Frühjahr in einem Interview gesagt. Diese Äußerung hatte ihm massive Kritik eingebracht - von der Öffentlichkeit, hinter vorgehaltener Hand aber auch von Parteifreunden.

Und auch im Barocksaal wirkt es zunächst, als habe sich an der Auffassung des CDU-Politikers nicht viel geändert. Denn wenige Augenblicke nach seinem Schuld-Eingeständnis ist Althaus schon bei der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise - nur einige Zeilen weiter in seinem Redemanuskript, aber meilenweit von dem Thema entfernt, das aus Sicht der gut 80 Journalisten im proppevollen Raum eigentlich auf der Tagesordnung steht.

"Fit und wieder da"

Dass diese Gratwanderung nicht einfach ist, ist dem Ministerpräsidenten offensichtlich bewusst. Zeitweise scheint sich Althaus, im dunklen blauen Anzug und mit randloser Brille, regelrecht an seinem Rednerpult festzuhalten, zeitweise versucht er, mit ausgreifenden Armbewegungen und leicht tänzelnden Schritten Dynamik zu demonstrieren. Denn die Botschaft, die aus seiner Sicht die wichtigste an diesem Vormittag ist, lässt sich auf einen eben so knappen Tenor bringen wie sein Schuldeingeständnis: "Ich bin fit - und ich bin wieder da." Und offenbar bereits wieder bis ins Detail in die Regierungsarbeit eingebunden: Ausführlich und länglich referiert Althaus Zahlen Daten und Fakten, die belegen sollen, wie gut sich der "dynamische, attraktive Freistaat Thüringen" auch in der Krise schlägt.

Die Arbeitslosenquote sei mit 12,7 Prozent zwar hoch - aber immer noch "die niedrigste der jungen Bundesländer". Es gebe zwar Zeichen, dass "die Krise auch am Freistaat nicht ganz vorbeigeht". Aber die Landesregierung habe - gewissermaßen als Gegengewicht - die berufliche Weiterbildung gestärkt und Liquiditätshilfen für "strategisch wichtige Unternehmen" vorbereitet. Und daran, betont Althaus, sei er auch seit Anfang März "über die immer engere Kommunikation zur Staatskanzlei" maßgeblich beteiligt gewesen.

Ebenso wie an der Vorbereitung des Unterstützungspaketes, das der Freistaat Thüringen der in die Krise geratenen Adam Opel AG angeboten hat, um das Eisenacher Opel-Werk wieder in sichere Fahrwasser zu bringen. Er habe, sagt Althaus, persönlich mit strategischen Investoren wie Daimler-Chef Jürgen Zetsche gesprochen. "Der hochproduktive Standort muss eine Zukunft haben", sagt Althaus.

"Dieser Verantwortung stelle ich mich"

Mit seiner eigenen Zukunft - und dem Unfall - muss sich Althaus erst wieder befassen, als Regierungssprecher Fried Dahmen die Fragerunde eröffnet. Nein, an einen Rückzug vom Amt habe er keinen Moment gedacht, sagt Althaus. "Ich habe in der viermonatigen Rekonvaleszenz viel dafür gearbeitet, jetzt wieder fit und einsatzbereit zu sein", so der Ministerpräsident. Und in einem etwas leiser ausfallenden Halbsatz schiebt er hinterher, dass er auch die Genesungssignale seines Körpers als Bestätigung für diese Haltung gewertet habe.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Es folgen weitere leise, aber mit fester Stimme vorgetragene Sätze zum Unfall und seinen Konsequenzen: Das "tragische Ereignis" habe ihm - auch am eigenen Leibe - bewusst gemacht, wie "zerbrechlich" das menschliche Leben sei. Und selbstverständlich halte er Kontakt zur Familie der getöteten Frau - nicht nur, "um die Trauer zu teilen", sondern auch um über einen weiteren "Schadensausgleich" über das Gerichtsurteil hinaus zu sprechen. "Ich hoffe, dass wir das mit einem guten Ergebnis möglichst schnell abschließen können", sagt Althaus und schluckt.

Mit in nachdenkliche Falten gezogener Stirn relativiert er auf Nachfrage schließlich auch seine umstrittene Interview-Äußerung. Er habe weder an den Unfall noch an die ersten Wochen danach eine wirkliche Erinnerung. Deswegen, so der Ministerpräsident, sei er auf das Gutachten angewiesen, das ja zum Thema Schuld ein klare Aussage treffe. "Und dieser Verantwortung stelle ich mich."

Zudem sei er "darauf vorbereitet", dass das Thema auch im Wahlkampf eine Rolle spielen wird. "Und zwar wohl weniger von den politischen Mitbewerben als vielmehr von den Bürgern". Deren Gesprächsbedarf will sich Althaus "ohne Schonung" stellen. Das meint der Regierungschef sowohl psychologisch als auch physisch: Seine ambulante Rehabilitation hätten die Ärzte für "abgeschlossen" erklärt, er werde sich ab jetzt wieder "hundertprozentig" in die Arbeit stürzen. Sein Terminkalender für die kommenden Wochen sei wieder "dicht gepackt".