Sie hat ihm nicht viele Geschenke gemacht im Lauf der Jahre, aber die Termine ihrer Besuche müssen ihm gefallen haben.
Im Herbst 2015 traf Angela Merkel Recep Tayyip Erdogan nur ein paar Tage vor der türkischen Parlamentswahl. Jener Neuwahl, die er ausgerufen hatte, weil ihm die erste Wahl keine Mehrheit einbrachte. Merkel posierte mit ihm im letzten Moment, in dem seine Macht in Gefahr war – das legitimierte ihn, die türkische Opposition war entsetzt.
Jetzt fliegt sie nach Ankara, kurz nachdem das Parlament dort eine Verfassungsreform verabschiedet hat. Eine Reform, die Erdogan all die Macht gibt, die er faktisch schon jetzt hat. Die neue Verfassung verleiht ihm Vollmachten, die die Türkei zur Diktatur werden lassen.
Besuch von Merkel schenkt Erdogan schöne Bilder
Eine letzte Hürde gibt es noch: eine Volksabstimmung Anfang April, die muss Erdogan noch gewinnen, dann hat er es geschafft. Der Wahlkampf hat schon begonnen, und der Besuch von Merkel schenkt Erdogan schöne Bilder.
Gerade war auch die britische Premierministerin Theresa May in Ankara, aber Merkel ist ein besonderer Gast. So wie Deutschland für die Türkei ein besonderes Land ist: wichtigster Partner in Europa, in vielem ein Vorbild, aber auch der schärfste Kritiker.

In letzter Zeit war immer sie es, die zu ihm reiste. Sie, Angela Merkel, brauchte ihn, Recep Tayyip Erdogan. Nur er konnte die Flüchtlinge aufhalten auf ihrem Weg nach Griechenland, er allein, das wusste Merkel, in Erdogans Händen lag ihr politisches Schicksal, zumindest ein paar Monate lang.
Merkel und Erdogan: Persönlich mochten sie sich nie
Anfangs wollte die Türkei etwas: in die EU, als volles Mitglied. Und Merkel war die neue Bundeskanzlerin, die der Idee schnell nach ihrem Amtsantritt 2005 ein Ende bereitete. Der türkische EU-Beitritt scheitere vor allem an ihr. Für Erdogan eine Kränkung, das Verhältnis der beiden hat sich davon nie mehr erholt. Dass sie sich persönlich nie mochten, kam dazu.

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In letzter Zeit hat man Vorwürfe ausgetauscht. Die Deutschen sehen Erdogan als autoritären Gewaltherrscher, die Türken die Deutschen als Unterstützer der PKK und der Bewegung von Fethullah Gülen, dem sie den Putschversuch zur Last legen – einige der Putschisten sind offenbar nach Deutschland geflüchtet.
Merkel ist daran gelegen, dass Deutschland und die Türkei sich nicht völlig verlieren. Erstens weiß sie, dass die Türkei als einziges Nato-Land mit regulären Bodentruppen in Syrien gegen die IS kämpft. Der Westen braucht die Türkei, er kann es sich nicht leisten, sie an Russland zu verlieren. Erdogan versteht sich mit Putin besser als mit Merkel und den Europäern, er ist für ihn politisch der angenehmere Partner.
Angela Merkel braucht den Deal mit Erdogan
Zweitens ist Merkel zwar in der Flüchtlingsfrage nicht mehr so erpressbar wie noch vor einem Jahr, dennoch braucht sie den Deal mit Erdogan. Selbst ein minimaler Anstieg der Flüchtlingszahlen wäre Gift für ihren Bundestagswahlkampf.
Sie muss Erdogan im Flüchtlingsabkommen halten, obwohl sie deren zentrales Versprechen nicht halten kann: die Visumsfreit für türkische Bürger in der EU. Das liegt nicht in ihrer Hand. So sendet sie ihm Signale wie diesen Besuch, zwei Monate vor dem Verfassungsreferendum.
Eine Nettigkeit von ihr. Sie hat Erdogan früh in ihrer Amtszeit aufgegeben, damals war er ihr als Partner nicht wichtig genug; jetzt lässt er sie das spüren. Und sie muss seine Freude darüber ertragen.