Bayerische Weltpolitik Stoiber stützt Putin im Raketenstreit mit USA

Zwar tritt Edmund Stoiber bald ab, aber das hindert den CSU-Chef keineswegs, sich in die große Weltpolitik einzumischen. Bei seinem Moskau-Besuch hat er sich im Streit um das US-Raketenabwehrsystem auf die Seite von Russlands Präsidenten Wladimir Putin gestellt.

Lange ist er nicht mehr in Amt und Würden: Spätestens Ende September ist Schluss für Edmund Stoiber. Dann tritt er ab, als bayerischer Ministerpräsident und als CSU-Chef. Aber der Ausblick auf den Ruhestand scheint Stoibers Ehrgeiz in den letzten Wochen seines politischen Wirkens nur zu beflügeln - so sehr, dass er sich bei seinem Moskau-Besuch nun sogar in den Streit zwischen Moskau und Washington um das geplante US-Raketenabwehrsystem eingemischt hat.

Nach einem rund dreistündigen Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml bezog Stoiber am Donnerstagnachmittag jedenfalls eindeutig Position: Der bayerische Ministerpräsident stellte sich eindeutig auf die Seite seines Gastgebers. Er unterstütze den Vorschlag Putins, Teile des geplanten Raketenabwehrsystems in Aserbaidschan und in Südrussland zu stationieren, sagte Stoiber. "Das gilt auf alle Fälle für meine Regierung und meine Partei", sagte Stoiber wörtlich - gemeint waren Bayern und die CSU. Er sei für die Zusammenarbeit mit Russland. Das sei für ihn von zentraler Bedeutung, so der CSU-Chef.

Stoiber warnt vor verhärteten Beziehungen

Stoiber sagte, Putin habe ihm von seinen Gesprächen mit US-Präsident George W. Bush Anfang der Woche auf dessen Familiensitz im US-Bundesstaat Maine berichtet. Dafür sei er, Stoiber, dankbar. Aus Putins Sicht gebe es nun zwei Varianten, den Konflikt um das US-Raketenabwehrsystem anzugehen. Die erste Variante bestünde darin, dass die USA, wie bislang geplant, einzelne Elemente ihres Systems in Polen und Tschechien stationieren würden. Das wäre nicht so gut, befand Stoiber. "Das würde die Beziehungen zwischen Amerika und Russland verhärten", analysierte der bayerische Welt-Diplomat die zu erwartenden Kalamitäten.

Die zweite Variante bestünde darin, im Rahmen des Nato-Russland-Rates eine Strategie der "totalen Kooperation" zu verfolgen. Diese würde es mit sich bringen, dass Teile des Systems in Südrussland und in Aserbaidschan stationiert würden, referierte Stoiber. In Moskau und im Nato-Hauptquartier in Brüssel würden dann jeweils Verbindungsbüros eingerichtet werden, zwei identische Informationszentralen, jeweils zu gleichen Teilen besetzt mit amerikanischen Soldaten, russischen Soldaten und Nato-Soldaten. Das sei der Plan, den auch er unterstütze, sagte der bayerische Regierungschef. Einen ähnlichen Vorschlag hatte Putin bereits auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm unterbreitet. Seither bemühen sich die Amerikaner, diesen möglichst höflich zurückzuweisen.

Beeindruckt von Militärparade im Kreml

Stoiber gab sich in Moskau durchaus kritisch gegenüber der Bush-Regierung. "Das transatlantische Bündnis steht außer Frage", sagte er stern.de. "Aber man muss nicht alles akzeptieren." Die Bundesregierung vertrete im Übrigen die gleiche Auffassung wie er, sagte Stoiber. Bei seinem weltpolitischen Exkurs zeigte sich der scheidende CSU-Chef dabei schwer beeindruckt von dem Aufwand, der im Kreml anlässlich seiner Visite betrieben wurde. Er habe als erster ausländischer Gast einer Militärparade innerhalb der Mauern des Kreml beiwohnen dürfen, schwärmte Stoiber. Mit Soldaten des Wachbataillons. Mit Reitern. Und mit Musik.

Stoibers außenpolitische Äußerungen sind, nun ja, zumindest ungewöhnlich. Weniger wegen ihres Inhalts, denn hier ist der Vorschlag Putins tatsächlich eine Variante, den Konflikt zwischen Moskau und Washington beizulegen, sondern eher wegen der Form: Gemeinhin obliegt es Vertretern der Bundesregierung, deutsche Interessen im Ausland zu formulieren - also der Kanzlerin oder dem Außenminister. Gemeinhin wird zudem davon ausgegangen, dass Kanzlerin und Außenminister den Interessen des Freistaates Bayern Rechnung tragen. Auch wenn die Länder im föderalen, deutschen System erhebliche Rechte habe, auch wenn sie im Rahmen der EU stark auftreten können, so sind außenpolitische Initiativen doch eher selten.

Unbekannt ist bislang, ob Stoiber seine Äußerungen in Absprache mit dem Bundeskanzleramt oder dem Auswärtigen Amt getan hat. Einen deutschen Politiker dürften die Aussagen des Bayern jedoch auf jeden Fall erfreuen: Gerhard Schröder, den Ex-Kanzler, der, wie nun auch Stoiber, ein ausgewiesener Russland- und Putin-Freund ist. Schröder hat nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik sogar bei einem russischen Konzern angeheuert.