Beck in Bayern Der Bär wankt und lässt sich feiern

Von Kinga Rustler
SPD-Chef Kurt Beck hat es schwer in diesen Tagen. Die hessische Regierungskrise lastet auf seinen Schultern, ebenso wie die unablässige Frage nach der Linken und dazu noch eine Grippe. Trotzdem schlägt der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz die Trommeln für Bayerns Kommunalwahlkampf.

Man möchte es sich geradezu vorstellen: Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck steht vor seinem Medizinschrank und sucht nach etwas, das ihn den Marathon-Wahlkampftag überstehen lässt. Beck, der immer wieder an einen Bären erinnert, hat eine "schwere Grippe", wie er selber sagt. Da wankt er, der große Bär. Auch Freund und Kollege Franz Maget, SPD-Fraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag, plagt seit Donnerstagnacht Fieber. Die Zwei sind angeschlagen. Da haben sie etwas mit ihrer Partei gemein, denn nach dem hessischen Regierungsdebakel und Becks vermeintlicher Zustimmung Andrea Ypsilantis zur Ministerpräsidentin mit Hilfe der Linken müssen sich die Sozialdemokraten erneut der Glaubwürdigkeitsfrage stellen. "Der Zeitpunkt sei fatal", bekräftigt auch Franz Maget.

"Was soll er denn in Hamburg?"

Nun steht der wankende Bär Kurt Beck vor dem Schrank voller Medikamente und schiebt sich wahrscheinlich ein paar Antibiotika in den Mund. Es mag so gegen halb acht gewesen sein, denn um zehn Uhr trägt er sich in das "Goldene Buch" der Stadt Augsburg ein. In Bayern, rund 740 Kilometer weit von Hamburg entfernt, das in diesen Tagen aufgrund der Bürgerschaftswahl morgen seine Unterstützung vielleicht mehr brauchen könnte. "Was soll er denn in Hamburg", fragt Maget, besinnt sich aber zugleich wieder und meint, "dass die Termine schon langfristig feststehen." So machen die beiden bekanntesten SPD-Politiker in Bayern neben Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, der erst am Abend im Münchner Hofbräuhaus dazu stößt, eine Führung durch die Augsburger Fußgängerzone mit anschließendem Zeughaus. Erklärende Worte hält der Augsburger SPD-Oberbürgermeister Paul Wengert bereit. Beim öffentlichen Gespräch des "Bündnis für Augsburg" zum Thema Integration ergreift Parteichef Beck zum ersten Mal das Wort. Die Anwesenden applaudieren frenetisch und machen ihn sogleich zum Ehrenmitglied.

Beck unglücklich über Linksdebatte

Doch auch an diesem Freitag äußert sich Beck nicht eindeutig auf die brennende Frage, ob es denn eine Regierung in Hessen mit den Linken oder zumindest mit ihrer Tolerierung geben würde. "Da habe ich gestern alles gesagt, was zu sagen war. Sie wissen ja, wie das mit den Pfarrern ist, die predigen auch nur einmal", beteuert der SPD-Chef im barocken Fürstenzimmer des Augsburger Rathauses. Er wiegelt ab. Das Thema allerdings ist damit noch lange nicht vom Tisch. Als das Mittagessen im "Stiftl Ingolstadt", für Beck nur leichtes Pangasius-Fischfilet mit etwas Süßkartoffelpüree, gereicht wurde, bringen Journalisten es noch einmal zur Sprache. Für einen kurzen Moment scheint es so, als möchte er mit seiner riesen Bärenpranke auf den Tisch hauen vor Ärger und ein bisschen Betroffenheit. Denn es geht ihm nicht gut mit diesem Linken-Debakel, in das er sich wieder hineinmanövriert hat. "Kurt Beck ist über die augenblickliche Debatte sehr unglücklich", bestätigt auch Maget.

Der SPD-Fraktionschef denkt, dass der einzig logische Schluss Neuwahlen wären, quasi unausweichlich wenn der Druck auf die FDP erfolglos bleiben würde. Maget meint, dass die Linken auch in Bayern eine Chance hätten, in den Landtag zu kommen, "wenn wir es nicht verhindern". Gerade der Skandal der Steuerhinterziehung sei "Wasser auf die Mühlen der Linkspartei". Allerdings möchte er den Hessen beim weiteren Verfahren auch keine Ratschläge erteilen. Indes gibt Kurt Beck seinen Konkurrenten Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) und CSU-Parteivorsitzender Erwin Huber, liebevoll mit den "Kaczynski-Zwillingen" verglichen, sehr gerne ein paar Lehren. "Uns allen würde gut tun, wenn diejenigen, die die Staatskanzlei als Refugium betrachten, sie mal von außen sehen würden", bekräftigt er vor tosender Menge beim Köschinger Starkbieranstich sowie der Abschlusskundgebung im Münchner Hofbräuhaus mit Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) und Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), für die er nachhaltig wirbt.

Die Masse feiert ihren SPD-Chef

Laut und kräftig, trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung, schwört Beck seine Genossen und Genossinnen bei allen drei Reden auf die wichtigsten Themen wie G8-Schulreform, Integration, soziale Gerechtigkeit und Mindestlohn ein. Die es ihm wiederum mit Jubelrufen und starkem Applaus danken, im Hofbräuhaus am Ende sogar stehend. Die knapp 45-minütigen Ansprachen sind inhaltlich wie immer, aber der Vortrag derzeit besonders energisch. Vielleicht will Kurt Beck unbewusst etwas gut machen - die Menge von sich und seiner Partei überzeugen. Gerade jetzt. Überhaupt fällt auf, dass der katholische Pfälzer oft und gerne zitiert. Seien es bekannte Sprichwörter oder Karl Valentin, am liebsten ist ihm aber die Bibel. "Es ist mir eine Freude und eine besondere Herausforderung mich mit Bibel-Texten auseinanderzusetzen", schmunzelt er und sein großer Bärenkopf wippt leicht.

Ja, der Bär Kurt taumelt und wankt dieser Tage. Das hat er öfter schon. Brüllen kann er ebenso, auch das hat er bewiesen. Während er morgens noch über die Augsburger Rathausschwelle stolperte, wirkt es am Ende dieses zwölf Stunden Tages fast so als würde er tanzen, der Bär, stolz und auf den Hinterbeinen. Der zustimmende Applaus tut ihm gut nach den vergangenen Tagen. Die Anstrengendsten liegen allerdings noch vor ihm.