Holprige Bürgermeister-Wahl "Fehlstart" und "Fiasko": Ist die Berliner GroKo schon K.o.? Die Pressestimmen

Kai Wegner (CDU), Berlins neuer Regierender Bürgermeister, und seine Amtsvorgängerin Franziska Giffey (SPD) 
Kai Wegner (CDU), Berlins neuer Regierender Bürgermeister, und seine Amtsvorgängerin Franziska Giffey (SPD) 
© Sean Gallup / Getty Images
CDU und SPD sind mit der Regierungsbildung in Berlin durch – jedoch beginnt die Zusammenarbeit äußerst turbulent. Für die Statik der Großen Koalition verheißt das nichts Gutes, meinen Kommentatoren.

Der CDU-Politiker Kai Wegner ist neuer Regierender Bürgermeister von Berlin – allerdings erst nach einem mehrstündigen Wahlkrimi im Abgeordnetenhaus (der stern berichtete). Zweimal verfehlte der 50-Jährige am Donnerstag die Mehrheit, obwohl die CDU und ihr neuer Koalitionspartner SPD über genügend Mandate verfügen. Im dritten Wahlgang erklärte die AfD ihre Unterstützung für Wegner. Wie viele AfD-Abgeordnete für den CDU-Mann stimmten, blieb offen. Doch kam heftige Kritik unter anderem von Grünen und Linken. 

Kommentatoren bewerten die holprige Bürgermeister-Wahl als "verpatzten Auftakt" ("taz") und "Fehlstart" ("Rheinische Post") für die Große Koalition, die in Berlin vor großen Herausforderungen steht. Das Medienecho. 

"Werbung für Berlin war das nicht"

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Viele haben CDU gewählt, weil sie dem rot-rot-grünen Senat nach der versemmelten Landtagswahl ohne politische Konsequenzen die Rote Karte zeigen wollten. Wegner hat ihnen einen echten Neuanfang versprochen. Ihn durchzusetzen wird nach diesem Fehlstart noch komplizierter."

"Stuttgarter Zeitung": "Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner hat erst im dritten Versuch die nötige Mehrheit erreicht. Das offenbart dreierlei: erstens wie spinnefeind sich die neuen Bündnispartner von CDU und SPD sind; zweitens wie sehr sich die Autorität der SPD-Chefin Franziska Giffey verflüchtigt hat und drittens wie den frustrierten Genossen der letzte Rest von Staatsverantwortung abhandengekommen ist. Sie haben sogar riskiert, dass ihre Regierung nun mit dem Odium leben muss, von der AfD gestützt zu werden." 

"Rheinische Post" (Düsseldorf): "Für Wegner ist es ein klassischer Fehlstart, für Berlin war es zunächst die Fortsetzung eines Dramas. Erst musste die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden, dann fehlte dem Kandidaten für das Amt des Regierenden eine Mehrheit. Wer schon immer im Rest der Republik gedacht hat, dass die da an der Spree nichts auf die Reihe kriegen, keinen Flughafen, keine anständige Wahl, keine funktionierende Verwaltung, konnte sich einmal mehr bestätigt fühlen. Die Abgeordneten der Großen Koalition haben die Kurve zwar noch gekriegt, aber Werbung für Berlin war das nicht."

"taz" (Berlin): "Dieser verpatzte Auftakt wird es dem neuen CDU-Regierungschef noch schwerer machen, die vielen Probleme Berlins anzugehen, zumal die nächste Wahl bereits in gut drei Jahren stattfindet. Zwar herrscht über die großen Herausforderungen parteiübergreifender Konsens (…). Aber wenn sich eine Koalition so früh derart instabil zeigt, darf sie auf keine Zugeständnisse von anderen Parteien – etwa bei Verhandlungen zwischen der Senats- und der Bezirksebene – hoffen und muss zugleich stets um die eigene Mehrheit bangen."

"Tagesspiegel" (Berlin): "In der knappen Wahl Wegners kommt viel Enttäuschung, Wut und Ärger aus den eigenen Reihen zum Ausdruck. Das kann für Wegner noch gefährlicher werden in Zukunft als die wankelmütige SPD. Dass sich die AfD nun auch noch rühmt, den Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt ins Amt gehievt zu haben, macht die Sache für Kai Wegner zusätzlich zur Belastung. Dabei ist es egal, ob die AfD-Stimmen ausschlaggebend waren oder ob allein die Ankündigung der AfD, Wegner zur Mehrheit zu verhelfen, die Koalition diszipliniert hat. Das ist mehr als nur peinlich."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Süddeutsche Zeitung" (München): "Wie soll einer Mehrheiten für heikle Entscheidungen finden, der mehr als ein Dutzend Politiker aus dem Koalitionslager von Anbeginn an nicht auf seiner Seite hat? Dieses Fiasko demonstriert nicht zum ersten Mal, dass schöne Worte und Lobpreisungen vom Führungspersonal in der Politik nicht die entscheidende Währung sind. (…) So ist dieser Tag ein Fiasko auch für die Hauptstadt, die so sehr einen entschlossenen und erfolgreichen Senat braucht."

"Die Welt" (Berlin): "Die neue Hauptstadtregierung startet, wie die alte aufhörte, mit einer Blamage. Dass der Regierungschef drei Wahlgänge brauchte, zeigt den Zustand einer SPD, die eigentlich in die Opposition gehört. Ausgerechnet der beschädigte Kai Wegner muss nun den Sanierungsfall Berlin retten."

fs / mit Material der Nachrichtenagentur DPA