Berlin vertraulich! Echte Liberale sind begehrt

  • von Hans Peter Schütz
Wahlfreiheit statt Bevormundung - mit diesem Slogan kämpft die FDP in Berlin um Stimmen. Dort ließ sich kürzlich auch Bundespolitiker Christoph Lindner wählen - von seiner jetzigen Ehefrau.

Was kennzeichnet den wahren Liberalen, in jeder Lebenslage seinem Parteibuch treu, eine politische Spezies, die selbst in der FDP immer seltener wird? Er wahrt die rationale Freiheitlichkeit selbst dann, wenn es um gefühlsbeladene Lebenslagen geht. Etwa einen Heiratsantrag. Bei FDP-Generalsekretär Christian Lindner, der dieser Tage die Journalistin Dagmar Rosenfeld geheiratet hat, lief das wie folgt: Als er mit ihr gemütlich-verliebt in einem Café zusammensaß, beschriftete er eine Serviette: "Willst Du mich heiraten?" Dann gewährte er mit drei Möglichkeiten zum Ankreuzen wahre freiheitliche Wahl: "Ja, Nein, Vielleicht." Er hatte Glück. Seine Dagmar kreuzte "Ja" an. Ob das geschehen wäre, hätte sie gewusst, dass die Hochzeitsreise vorerst ausfällt? Hätte sie dann etwa "Vielleicht" angekreuzt? Ein FDP-Sprecher erklärte, weshalb die vorerst ausfällt. Lindner stehe auf dem Standpunkt: "Es seien genügend wichtige politische Themen auf der Agenda.“ Ein eher ehegefährdendes Pflichtbewusstsein – bei den vielen Krisen, welcher die Liberalen derzeit bewältigen müssen.

*

Mindestens ebenso liberal wie Lindner müssen wir jetzt Ex-Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, neuerdings FDP-Fraktionschef, einstufen. Nachdem der bisherige Fraktionspressesprecher Olaf Bentlage aus sehr persönlichen Gründen nach Baden-Württemberg zurückgekehrt ist, hat Brüderle als seine neue Sprecherin die Juristin Beatrix Brodkorb (39) vorgestellt. Die beiden kennen sich bereits gut aus der Zeit, als Brüderle noch den Wirtschaftsminister geben durfte. Er nennt sie eine "vertraute, kompetente und erfahrene Sprecherin." Nicht nur das. Sie ist auch CDU-Mitglied im Ortsverband Berlin-Steglitz-Zentrum. Jetzt wird in der Berliner Politszene gelästert und gemutmaßt: Ist die FDP schon so ausgeblutet, dass sie keine Parteimitglieder mehr hat, die für sie sprechen können? Oder nimmt sie die vielleicht irgendwann kommende Fusion mit den Christdemokraten bereits bei der Sprecherauswahl vorneweg? Immerhin hat Parteichef Philipp Rösler mit Georg Streiter einen Vize-Regierungssprecher berufen, von dessen FDP-Mitgliedschaft auch gute Freunde bisher nichts gewusst haben und der auch in seiner bisherigen Arbeit als Journalist noch nie eine besondere Zuneigung zu den Liberalen hatte erkennen lassen, außer dass er kurzfristig für die FDP-Europaparlamentarierin Silvana Koch-Mehrin sprach, bis der ihr abgekupferter Doktortitel abgesprochen wurde.

*

Mag sein, dass FDP-Generalsekretär Christian Lindner mit der Krisenbewältigung so ausgelastet ist, dass er noch keine Zeit gefunden hat, darauf zu reagieren, wie die Linkspartei-Vorsitzende Gesine Lötzsch über seine zeitgeschichtlichen Kenntnisse lästert. Lindner hatte Lötzsch kritisiert, die den Mauerbau dieser Tage als Spätfolge des Zweiten Weltkriegs zu erklären versucht hat. Daraufhin attackierte Lindner mit der Bemerkung: "Frau Lötzsch versteht sich offenbar als letzte Regierungssprecherin der DDR. Sie verharmlost und rechtfertigt geradezu den Bau der Mauer." Ganz so war es nicht. Letzte (stellvertretende) DDR-Regierungssprecherin war Angela Merkel beim ersten und letzten frei gewählten DDR-Regierungschef Lothar de Maizière nach der Wende beschäftigt. Leider dürfe Angela Merkel offenbar, so Lötzsch, heute noch immer nicht sagen, was sie wirklich denke. Beispielsweise das, was sie wirklich von der FDP hält: "Dass die FDP einer der größten Betriebsunfälle in der Geschichte der Bundesrepublik ist." *

Das jüngste Berliner Gerücht: Laut diesem wackelt Hermann Gröhe als CDU-Generalsekretär. Merkel habe den Posten bereits zwei jüngeren CDU-Politikern angeboten. So stand´s jetzt in der "Leipziger Volkszeitung." Interessanterweise am gleichen Tag, an dem das Blatt ein exklusives Gespräch mit Niedersachsens CDU-Regierungschef David McAllister veröffentlichte. Zufall? Mag gut sein, dass der niedersächsische Ministerpräsident die Äußerung nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit gemacht hat, unter dem derzeit die Diskussion über die aktuelle Verfassung der Partei in Berliner CDU-Kreisen weithin läuft. Denn womit lässt sich der Ministerpräsident aus Hannover zitieren? Zum Beispiel mit dem Satz: In der CDU sei ein "unübersichtliches Stimmungsbild" festzustellen, es gebe ein kritisches Erscheinungsbild“. Wer ist in erster Linie dafür verantwortlich: Klar doch, der Generalsekretär. Außerdem sagt McAllister: "Es gibt eine erkennbare, diffuse Lage in der Union und den dringenden Wunsch nach Diskussion und Erklärung." Wer ist dafür verantwortlich? Auch der Generalsekretär. Und im übrigen sei es nicht möglich, den kommenden Leipziger CDU-Bundesparteitag auf die künftige Schulpolitik zu beschränken. Er müsse erweitert werden um die Themen Finanzpolitik und Eurokrise.