Berlin vertraulich! Warum Schily mit Akten warf

  • von Hans Peter Schütz
Die Contenance zu wahren, gehört nicht zu den Tugenden deutscher Spitzenpolitiker. Ex-Innenminister Schily nahm sein Gegenüber schon mal mit Akten unter Beschuss, SPD-Chef Beck gilt als "Bhudda mit Sprengsatz". Nur Theo Waigel beweist derzeit Manieren und schweigt - aus gutem Grund.

Im Bundesinnenministerium lächeln die Beamten wissend und wundern sich sehr über das schwache Erinnerungsvermögen ihres Ex-Dienstherrn Otto Schily. Erst bestritt er pauschal Berichte, in denen es hieß, sein Nachfolger Wolfgang Schäuble werfe anders als er nicht mit Akten nach Untergebenen. Dann erinnerte Schily sich ein bisschen und nahm es auf seinen Eid, dass er lediglich "ein einziges Mal in einer Zornesaufwallung eine Akte über den Schreibtisch geworfen habe." Über den Schreibtisch? Da erinnern seine Beamten allerdings auch ganz anderes. Zum Beispiel Peter Bartels, der ehemalige Leiter des Kabinettsreferats. Der brachte dem auf der Regierungsbank im Bundestag sitzenden Minister einmal ein Aktenbündel zur Durchsicht und Unterschrift. Zur Erheiterung der gesamten Pressetribüne im Parlament warf Schily die Unterlagen wutentbrannt auf den Boden. Anstalten, sie wieder aufzuheben, machte er keine. Bis sich seine Nebensitzerin, Justizministerin Brigitte Zypries, des älteren Kollegen erbarmte und die Papiere wieder einsammelte. Nur einmal Akten übern Schreibtisch geworfen? Eigentlich müsste ein Volljurist wie Schily um die unter Umständen verhängnisvolle Wirkung einer eidestattlichen Erklärung wissen.

*

Die großbürgerliche Contenance, auf die sich Schily einiges zugute hält, ist allerdings schon immer leicht zu erschüttern gewesen. So pflegte er stets aufzubrausen, wenn zu seinen grünen Zeiten kleinbürgerliche Parteifreunde ihr Bierglas bei ihm zuhause auf seinem Steinway-Flügel abstellten. Musikinstrumente sind "für mich heilig" pflegte er zu schäumen. So weit, so verständlich. Als Minister allerdings, so räumt er ein, habe ihn bei Fehlern seiner Beamten zuweilen "die kalte Wut gepackt". Dann habe er schon mal "den Oli Kahn gegeben". Er sei eben so beschaffen wie der Torsteher des FC Bayern, "der außer sich gerät, wenn er durch schlampiges Spiel ein Tor kassiert". Allerdings: Kahn hat noch nie wie Schily ein Eigentor geschossen.

*

Hans Peter Schütz

Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert für stern.de wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt - exklusiv, immer Montags, lesen Sie seine Kolumne "Berlin vertraulich!"

Man darf sich wundern, wie schnell Kurt Beck die Herzen auch linker Sozialdemokraten gewinnt. Nach seinem Aufstieg zum SPD-Vorsitzenden charakterisierte die SPD-Abgeordnete Andrea Nahles, Promi-Frau des linken Flügels in der Bundestagsfraktion, ihn als einen "Buddha mit Sprengsatz", der entgegen seines friedfertigen Aussehens bei Widerspruch (und Kritik am 1. FC Kaiserslautern) blitzartig aus der Haut fahre. Erstaunlich deshalb, dass Nahles nicht mit Kritik an die Rampe drängte, als der rheinland-pfälzische Ministerpräsident unlängst einem Arbeitslosen riet, er solle sich "waschen und rasieren", dann werde er auch wieder einen Job finden. Präsidiumsmitglied Nahles erklärte, man dürfe wegen dieses Ratschlags allein Beck nicht kritisieren. Der sei "doch lebensecht" gewesen. Und sie fügte den bemerkenswerten Satz hinzu: "Es muss auch mal Schluss sein mit dieser ewigen politischen Korrektheit. Sonst bleiben am Ende nur noch Sprechblasen übrig. Die regen keinen mehr auf, aber es weiß auch keiner, was eigentlich los ist." Was in der SPD los ist: Beck ist schon heute als Kanzlerkandidat für 2009 von ganz rechts in der SPD bis ganz links akzeptiert.

*

Zur Dauerfehde zwischen CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber und der Landrätin Gabriele Pauli kursiert in der Berliner CSU-Landesgruppe ein Wort des früheren CSU-Vorsitzenden Theo Waigel. Der hatte einmal für den Fall eines Streits innerhalb der bayerischen Staatspartei die Devise ausgegeben: "In solchen Situationen redet man nur hemmungslos gut übereinander." Bemerkenswert dabei: Waigel, selbst ein Stoiber-Geschädigter, schweigt eisern zu der Affäre seines Nachfolgers.