Berlin Wowereit verweigert harte Schnitte

  • von Jens Tartler
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lehnt auch nach seiner Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht einen Kurswechsel in der Finanzpolitik ab. Er sieht sich in seiner Politik bestätigt.

In seiner Regierungserklärung sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), Berlin werde nun weder "radikalen Kürzungsmasochismus" betreiben noch in die alte Subventionsmentalität zurückfallen und vor dem Schuldenberg von 61 Mrd. Euro kapitulieren. Der Konsolidierungskurs werde fortgesetzt. "Gescheitert ist die Klage, nicht die Politik."

Das Verfassungsgericht hatte vergangene Woche eine Berliner Klage auf zusätzliche Bundeshilfe in Milliardenhöhe abgewiesen. Die Richter urteilten, dass Berlin sich aus eigener Kraft helfen könne und müsse.

Haushalt sanieren und sozialen Frieden bewahren

Wowereit sagte: "Den Haushalt zu sanieren und den sozialen Frieden zu wahren, ist möglich." Dazu müssten Bildung, Kultur und Wissenschaft weiter gestärkt werden, auch wenn man dafür neue Schulden aufnehme. Entsprechend beschlossen SPD und Linkspartei in ihren Koalitionsgesprächen den kostenlosen Kita-Besuch für alle Drei- bis Fünfjährigen. Das letzte Kita-Jahr vor der Schule ist demnach schon von 2007 an gebührenfrei. Das erste und zweite kostenlose Jahr folgen 2010 und 2011.

Außerdem will der Berliner Senat in dieser Legislaturperiode die Einheitsschule ausbauen. Das war zwischen SPD und Linkspartei lange umstritten. Nunmehr können sich Berliner Schulen ab dem Schuljahr 2008/09 zu so genannten Gemeinschaftsschulen umwandeln. Darunter versteht man eine Schule für Kinder aller Altersgruppen - also vom Beginn der Schulpflicht mit fünf oder sechs Jahren bis zum Abitur. Keine Schule soll aber gezwungen werden, Einheitsschule zu werden. Für das Modellprojekt will der Senat in dieser Legislaturperiode 22 Mio. Euro zur Verfügung stellen. Das Geld soll aus dem Schuletat kommen. Noch nicht entschieden ist, welche anderen Projekte dafür eingestellt werden. Die Linkspartei hatte ursprünglich die flächendeckende Einführung der Gemeinschaftsschule gefordert. Dagegen verwahrte sich aber die SPD. In Berlin gibt es bereits drei Schulen, an denen Kinder von fünf bis 19 Jahren gemeinsam lernen. Weitere vier Schulen haben Interesse angemeldet, ihr Angebot für alle Altersstufen zu erweitern.

Berliner Schuldendschungel

Mit dem neuen Schultyp wird das Berliner Schulsystem noch unübersichtlicher. In der Hauptstadt gibt es neben der sechsjährigen Grundschule bereits Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen. Sachsen hat nur drei Formen: Grund-, Sekundarschule und Gymnasium. Der Philologenverband, ein Zusammenschluss von Gymnasiallehrern, kritisierte den Berliner Beschluss: "Die Gemeinschafts- und Gesamtschule sind Modelle, die in Deutschland bereits mehrfach gescheitert sind - sowohl leistungsmäßig als auch hinsichtlich der Akzeptanz durch Eltern und Schüler", sagte der Verbandschef Heinz-Peter Meidinger. Es sei dringlicher, die Qualität des bestehenden Schulsystems zu verbessern als neue Strukturen zu schaffen.

FTD