BND-Affäre "Sehr weitgehende US-Forderungen"

Nach exklusiven Informationen des stern haben die Amerikaner im Irak-Krieg großen Druck auf den BND ausgeübt. Auch auf die Identität des geheimnisvollen Agenten "Sam" soll es schon länger Hinweise geben. Derweil streitet die Opposition weiter über den Untersuchungsausschuss.

In der BND-Affäre kommen neue Einzelheiten ans Licht: So haben die Amerikaner im Irak-Krieg 2003 offenbar erheblichen Druck auf den BND ausgeübt. Der beim US-Militärkommando in Doha in Katar stationierte BND-Beamte sollte so viele Informationen wie möglich aus Bagdad liefern. Nach exklusiven Informationen des stern geht dies aus dem geheimen Bericht der Bundesregierung für das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKG) hervor.

Der Verbindungsbeamte, der Berichte von zwei BND-Agenten in Bagdad weiterleitete, habe "unter hohem Druck" gestanden, "die sehr weitgehenden US-Forderungen gegenüber der BND-Zentrale zu vertreten", heißt es in dem Geheimbericht. Die Bundesregierung beharrt dennoch darauf, dass die übermittelten Koordinaten militärischer Ziele für die US-Kriegsführung nicht verwertbar waren.

Hinweise auf "Sams" Identität

Nach Informationen des stern wird in dem geheimen Bericht für das PKG außerdem deutlich, dass dem BND im Zusammenhang mit der Entführung des deutschen Staatsbürgers Khaled al Masri mindestens seit Dezember 2005 Hinweise auf mögliche verdächtige US-Bürger vorlagen. Danach hatte das BND zwei vage Hinweise, wer der "Sam" genannte Mann sein könnte, der al Masri während seiner Entführung in perfektem Deutsch verhört haben soll.

Es gehe um zwei US-Bürger deutscher Abstammung, die dafür in Frage kämen. Einer davon soll im Jahr 2000 im US-Generalkonsulat in Hamburg gearbeitet haben, den anderen habe ein BND-Dolmetscher im Jahr 2001 im bosnischen Tuzla kennen gelernt. Die Staatsanwaltschaft in München, die im Fall al Masri ermittelt, wurde laut PKG-Bericht bis Mitte Februar nur über einen dieser beiden Personenhinweise in Kenntnis gesetzt.

Wie es wirklich war, wird der Untersuchungsausschuss zur BND-Affäre zu klären versuchen. Der Bundestag wird das Gremium vermutlich Ende März einsetzen. Linkspartei, FDP und Grüne wollen sich in den kommenden Tagen auf einen Untersuchungsauftrag einigen. Nur mit den Stimmen aller Oppositionsfraktionen kann ein Untersuchungsausschuss auch gegen den Willen der großen Koalition durchgesetzt werden.

Westerwelle sieht Parallelen zur "Spiegel"-Affäre

Den Vorwurf der Bundesregierung, der Untersuchungsausschuss gefährde die nationale Sicherheit, hat FDP-Chef Guido Westerwelle unterdessen zurückgewiesen. Nicht die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Geheimdienst gefährde die Sicherheit, sondern die Vertuschung der Vorwürfe, sagte er der "Leipziger Volkszeitung". Die schwarz-rote Koalition argumentiert wie Franz Josef Strauß bei der "Spiegel"-Affäre: Wer den Rechtsstaat verteidige der schade Deutschland. Das ist eine Haltung wie im Absolutismus."

Die FDP sei "eine staatstragende Partei" und wisse, dass man Geheimdienste brauche. "Aber die amtierende Bundesregierung hat im Umfeld der Vorgänge in Bagdad erkennbar die Unwahrheit gesagt. Auch in Zeiten der Terrorismusbekämpfung sollten wir den Rechtstaat und unsere Verfassung als unbestrittenen Kompass beachten", sagte Westerwelle.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Nach einem ersten Treffen über eine gemeinsame Linie sagte Grünen-Geschäftsführer Volker Beck über den Auftrag des Ausschusses: "Die Differenzen sind überwindbar." Sein FDP-Kollege Jörg van Essen erklärte: "Wir sind auf einem guten Weg." Über die genaue Marschroute für den Ausschuss wollten sie noch nichts sagen. Es seien noch "drei dicke Brocken zu klären", sagte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele am Abend im TV-Sender Phoenix. Die Fraktionsvize der Linkspartei, Petra Pau, sagte, man sei sich einig, dass das Ziel des Ausschusses "nicht das gegenseitige Vorführen ist".

Schröder, Fischer, Steinmeier sollen aussagen

Linkspartei-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Maurer hatte am Dienstag die Ladung des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), des Ex-Außenministers Joschka Fischer (Grüne) sowie seines Nachfolgers Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Zeugen angekündigt. Beck sagte, auch eine eventuelle Befragung Fischers sei kein Problem. "Ich scheue eine solche Vernehmung auf keine Weise."

Van Essen und Pau hatten vor dem Treffen ihr Ziel eines umfassenden politischen Untersuchungsauftrags bekräftigt. "Es muss die Diskrepanz zwischen der offiziellen Linie der damaligen Bundesregierung und dem was konkret gelaufen ist, aufgeklärt werden", sagte van Essen zur Rolle des BND im Irak-Krieg. "Es geht am Schluss um die politische Bewertung der Vorgänge", unterstrich auch Pau. Für den FDP-Innenexperten Max Stadler steht vor allem die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Außenpolitik auf dem Prüfstand. Geklärt werden müsse der Informationsaustausch mit den Amerikanern im Irak-Krieg.

Auch über die Ausschuss-Zusammensetzung gab es am Dienstag zunächst noch keine Einigung. Die FDP reklamierte als größte Oppositionspartei für sich zwei Plätze, während Grüne und Linkspartei nur je ein Mitglied stellen sollen. SPD-Fraktionschef Peter Struck warf den Freidemokraten vor, bei einer "reinen Show- und Spektakel-Veranstaltung" mitzumachen.

AP · DPA
stern/AP/DPA