Haushaltsdebatte im Bundestag "Peinlich", "durchgetänzelt", "merkwürdiger Einfall": Scholz kontert Merz nach Frontalangriff

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während der Generaldebatte im Bundestag
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): "Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben nichts Konkretes gesagt"
© Kay Nietfeld / DPA
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag seine Politik verteidigt. Kritik des Unions-Fraktionschef Friedrich Merz kontert der Regierungschef mit ungewöhnlich deutlichen Worten.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Oppositionsführer Friedrich Merz im Bundestag ungewöhnlich scharf angegriffen. Merz werde nicht damit durchkommen, immer nur Fragen zu stellen und sich niemals in einer Sache richtig zu positionieren, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in seiner Antwort auf die Rede des CDU-Chefs in der Haushaltsdebatte. "Sie sind hier durch die Sache durchgetänzelt und haben nichts Konkretes gesagt." Und wenn sich Merz mal in einer Sache positioniere, dann "wird's peinlich", sagte Scholz. 

Inhaltlich kritisierte der Kanzler, Merz habe einen Soli, also eine Steuererhöhung für fast alle Bürger, vorgeschlagen, um die bessere Ausstattung der Bundeswehr zu bezahlen. "Was für ein merkwürdiger Einfall", sagte Scholz

Er betonte zudem, die schlechte Zeit für die Bundeswehr habe mit dem früheren Unions-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg begonnen, der viel Geld zusammengestrichen habe. Das habe Merz mit keinem Wort erwähnt. "Manchmal ist Sacharbeit wirklich eine nützliche Sache, Herr Merz", betonte Scholz.

Merz hält Scholz mangelnde Unterstützung der Ukraine vor

Der Oppositionsführer hatte dem Bundeskanzler zuvor mangelnde Unterstützung der Ukraine bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs vorgehalten. Mehr als einen Monat nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestags seien zugesagte schwere Waffen nicht geliefert worden, sagte Merz. Wenn man sich in der Europäischen Union umhöre, gebe es mittlerweile nur noch Verstimmungen, Enttäuschungen und "richtig Verärgerung" über die Rolle Deutschlands.

Der CDU-Chef sagte an die Adresse von Scholz: "Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber sie sagen unverändert nichts." Er kritisierte, dass Scholz formuliere, dass Russland den Krieg nicht gewinnen dürfe, statt einfach zu sagen: "Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen." Der Kanzler telefoniere mit Russlands Präsident Wladimir Putin, habe aber keinen Gesprächstermin für den ukrainischen Parlamentspräsidenten, der nach Berlin komme.

Merz warf dem Kanzler vor, dass nach dessen Feststellung einer Zeitenwende durch Russlands Angriffskrieg konkrete Entscheidungen ausgeblieben seien. "Es gibt nichts, was Sie außer neuen Schulden mit diesem Wort 'Zeitenwende' ernsthaft verbinden." Der Unionsfraktionschef forderte Scholz auf, sich klar dazu zu positionieren, ob die Ukraine und das Nachbarland Moldau einen Kandidatenstatus für einen Beitritt zur Europäischen Union bekommen sollten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bundeskanzler Scholz äußerte sich zu Deutschlands außenpolitischen Zielen im Ukraine-Krieg erneut vorsichtig. Ziel der Bundesregierung sei es, dass Russlands Präsident Wladimir Putin den von ihm begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine "nicht gewinnt", sagte er in der Haushaltsdebatte. "Unser Ziel ist, dass die Ukraine sich verteidigen kann und damit erfolgreich ist", fügte er hinzu. An die Adresse des Oppositionsführers sagte Scholz: "Aber ich will ausdrücklich sagen, es ist überheblich und es ist unangemessen und es ist völlig fehl am Platze, wenn hierzulande darüber diskutiert wird, was die Ukraine richtigerweise zu entscheiden hat."

Scholz: Schaffen Energieunabhängigkeit und Klimaschutz zusammen

Deutschland wird nach den Worten von Kanzler Scholz sowohl die Loslösung von russischen Energielieferungen als auch deutlich mehr Klimaschutz bewältigen. "Wir wollen Energieunabhängigkeit erreichen so schnell wie möglich", sagte er in der Generaldebatte. Das sei ein Ziel für Europa und gelte auch für die Bundesrepublik. 

"Das, wissen wir, ist in diesen Tagen ganz, ganz dringend angesichts des russischen Angriffs. Und wir wollen vollständige CO2-Neutralität bis 2045 erreichen", sagte Scholz. "Das ist machbar. Beides gehört zusammen, es schließt einander nicht aus, und wir werden beides erreichen." CO2-Neutralität bedeutet, dass im Sinne des Klimaschutzes alle Treibhausgase vermieden oder gespeichert werden müssen. Entscheidend sei, dabei die Versorgungssicherheit mit Energie jederzeit zu sichern, erklärte Scholz. "Energie muss immer verfügbar sein – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr."

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Scholz wies auch auf Pläne für einen massiv beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien hin. Neben dem bereits verabschiedeten so genannten Osterpaket sollten im Sommer und Herbst zwei weitere Bündel mit Gesetzesvorhaben folgen. Die Dauer von Verwaltungsverfahren werde so mindestens halbiert, sagte Scholz mit Bezug auf die Planung von Energieprojekten. "Wir werden uns nicht den Schneid abkaufen lassen, meine Damen und Herren, nicht von den Lobbyisten, nicht von den Bedenkenträgern und auch nicht von den Verteidigern des Status quo." Scholz sagte zu: "Dieses Jahr ist das Jahr der Entscheidungen, und die Entscheidungen werden getroffen."

Darüber hinaus wies er Vorwürfe zurück, Rentner würden bei den Entlastungsmaßnahmen gegen die hohen Energiepreise vernachlässigt. "Übrigens profitieren auch die Rentnerinnen und Rentner von den Entlastungspaketen, bei den Stromrechnungen, vom Tankrabatt und dem 9-Euro-Ticket", sagte der Kanzler. Außerdem stiegen die Renten zum 1. Juli so stark wie seit Jahrzehnten nicht. Auch in Zukunft werde das Rentenniveau von 48 Prozent nicht unterschritten. "Das ist eine wichtige Leistung dieser Regierung", sagte Scholz. 

Zuvor hatte es Kritik gegeben, weil eine Energiepreispauschale von 300 Euro nur an einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige ausgezahlt werden soll. Rentner, Studierende und Auszubildende gingen daher leer aus.

DPA · AFP
fs