Bundestag Neuregelung des Rederechts ist vorerst vom Tisch

Die Proteste zahlreicher Abgeordneten zeigen Wirkung: Union, FDP und SPD rudern bei der umstrittenen Neuregelung des Rederechts im Bundestag zurück und vertagen die Entscheidung.

Die umstrittene Neuregelung des Rederechts von Bundestagsabgeordneten ist vorerst vom Tisch. Eine Entscheidung sei bisher nicht gefallen und werde "kurzfristig auch nicht erfolgen", erklärten die Parlamentsgeschäftsführer von Union und FDP, Peter Altmaier (CDU) und Jörg van Essen, am Montag in Berlin. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann unterstrich, es werde nächste Woche keine Abstimmung im Bundestag geben.

Zuvor hatten sich zahlreiche Kritiker der Neuregelungspläne zu Wort gemeldet. Sie äußerten vor allem die Befürchtung, dass das Rederecht von "Abweichlern" unter den Abgeordneten eingeschränkt werden solle. Hintergrund der geplanten Änderung ist, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in den Debatten über die Euro-Rettung "Abweichlern" aus den Reihen von CDU und FDP das Wort erteilt hatte, obwohl sie nicht von ihren Fraktionen als Redner nominiert worden waren. Geplant ist nun eine neue Regelung für Redner, deren Auffassung von der Mehrheitsmeinung der Fraktion abweicht.

Laut Altmaier und van Essen werden sich nun zunächst alle Fraktionschefs und Parlamentsgeschäftsführer der im Bundestag vertretenen Fraktionen in der am nächsten Montag beginnenden Sitzungswoche "umfassend mit der Thematik befassen". Bis zum Ergebnis dieser Gespräche "würden keine Änderungen der geltenden Geschäftsordnung beschlossen". Ziel der Gespräche sei eine Lösung, die "dem freien Mandat des Abgeordneten und der Arbeitsfähigkeit des Parlaments in gleicher Weise Rechnung trägt".

Döring: "Dann lassen wir es so, wie es ist"

Oppermann erklärte, die bislang vorliegenden Vorschläge seien "nicht ausgereift und werden so nicht kommen". Die Fraktionen hätten noch gar keine Gelegenheit gehabt, die Empfehlungen des Geschäftsordnungsausschusses zu beraten. "Reformen der Geschäftsordnung sollten ausführlich diskutiert und möglichst im Konsens mit allen Fraktionen verabschiedet werden." Beides sei nicht geschehen. Deshalb werde es auch in der kommenden Woche keine Abstimmung in Parlament geben. Die SPD werde sicherstellen, dass auch künftig abweichende Meinungen zu Wort kommen können.

Der FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, wenn eine Reform des Rederechts nicht durchkomme, "dann lassen wir es so, wie es ist". Dann sollten Abgeordnete wie bisher schon die Möglichkeit haben, nach der Aussprache abweichende Meinungen vorzutragen. Diese Regelung müsse dann aber auch "ohne Ausnahme" angewendet werden, forderte Döring in Berlin.

Zuvor hatten einzelne Abgeordnete wegen der Neuregelungspläne mit einem Gang zum Verfassungsgericht gedroht. Der als "Euro-Rebell" bekannt gewordene CDU-Parlamentarier Klaus-Peter Willsch sagte im Sender HR-Info, sollte die Reform wie ursprünglich geplant verabschiedet werden, müsse man das Bundesverfassungsgericht fragen, wie es die Rechtsstellung der Abgeordneten sehe. Der Linken-Abgeordnete Wolfgang Neskovic erklärte in Berlin, sollte die Mehrheit des Parlaments "dieser Selbstentmachtung zustimmen, wäre der Gang vor das Bundesverfassungsgericht unvermeidlich".

AFP
mlr/AFP