Sonntagabend schon was vor? Kino vielleicht? Oder mal wieder nett essen gehen mit dem Lebensabschnittspartner? Ach, Sie können nicht, weil ja ab 20.15 Uhr das TV-Duell läuft – Merkel gegen Schulz. Kleiner Tipp: Muss nicht unbedingt sein!
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht. Ich bin ganz schwer für das Erfüllen staatsbürgerlicher Pflichten, man sollte sich für Politik schon interessieren und nicht nur dafür, wer einem morgen das Frühstück ans Bett bringt. Wählen gehen gehört zu diesen Pflichten selbstredend dazu (da ist aber noch Zeit, die Bundestagswahl ist ja erst am 24.September). Was noch? Position beziehen, sich informieren, mal über den Tellerrand gucken, dem anderen zuhören. Gerne auch, ja, debattieren. Oder auch: Gerne dabei zuhören, wenn andere debattieren. Die, die um die Kanzlerschaft streiten, zum Beispiel.
Warum ich das erwähne? Weil das alles mit dem TV-Duell am Sonntag mutmaßlich nicht allzu viel zu tun haben wird.
Angela Merkel und der Floskelweitwurf
Ich komme gerade von der Bundespressekonferenz mit Angela Merkel, der Kanzlerin. Einmal im Jahr gibt sie sich die Ehre und stellt sich, meistens am Ende der Sommerferien, den Fragen der Hauptstadtpresse, heute – Respekt! - geschlagene anderthalb Stunden lang. Wobei "Sich-den-Fragen-stellen" irgendwie der falsche Begriff ist – Merkel saß die Fragen eher aus. Sie hat in ihrer drollig trockenen Art eine Antwortform des fachspezifischen Filibusterns erfunden.
Fragen zur Dieselaffäre und ob sie mal der Autoindustrie deswegen so richtig einen reinreibt? Beantwortet sie im Stil eines Referatsleiters aus dem Verkehrs- oder Wirtschaftsministerium mit einem Kurzreferat zur Bedeutung der Autoindustrie für den Standort Deutschland. Fragen zur Zukunft der EU? Da flüchtet sich die Kanzlerin in möglichst triefende Schwammigkeit – sie ist der Ansicht, die "außenpolitische Kohärenz der EU" sei "unzufriedenstellend." Fragen zum Umgang mit der Türkei des Recep Tayyip Erdogan? Und wieder ein Kurzvortrag im Referatsleiterstil. Und immer und überall: Viel Floskelweitwurf. So geht das 90 Minuten lang. Bis der Auftritt vorbei ist.
Der Wille zum Schlagabtausch? Nicht vorhanden. Lust an der Zuspitzung? Erst recht nicht. Bereitschaft, konkret zu werden? Bloß nicht!
Angela Merkel wird Martin Schulz mit routinierter Langweile erdrücken
Angela Merkel hat bei Lichte besehen nichts anderes gemacht, als anderthalb Stunden den Ball flach zu halten. Am Ende der Antworten hatte man in neun von zehn Fällen vergessen, was eigentlich zuvor gefragt worden war. Ob, derart rhetorisch verwaltet, der Wahlkampf nicht langweilig sei, ist sie an einer Stelle gefragt worden? "Ich weiß nicht, was Ihre Definition von Wahlkampf ist", hat Merkel geantwortet, im Wahlkampf versuche man, "den Menschen das nahe zu bringen, was wir uns als Parteien für die Zukunft überlegt haben."

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Kurze Vermutung: Der Sonntagabend wird anstrengend. Merkel wird Martin Schulz mit routinierter Langweile erdrücken. Der Herausforderer wird sich wehren, mutmaßlich dabei zunehmend die Geduld verlierend. Er wird hellwach sein, bis zum Ende. Das ist sein Job. Ob es die Zuschauer so lange schaffen, darauf würde ich nicht wetten.