Bundestagswahl Die wichtigsten Ergebnisse: SPD siegt, größter Bundestag aller Zeiten – und AfD stark im Osten

Wahlplakate Baerbock, Scholz und Laschet
Baerbock, Scholz und Laschet (v.l.n.r.) werden sich auf schwierige Koalitionsgespräche einstellen müssen
© John MacDougall / AFP
Bei der Bundestagswahl wird die SPD stärkste Kraft, die Union stürzt auf ein Rekordtief. Für Koalitionsgespräche kommt es nun auf Grüne und FDP an. Eines ist sicher: Es wird der größte Bundestag aller Zeiten. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Die SPD hat die Bundestagswahl knapp gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis wurden die Sozialdemokraten mit Olaf Scholz am Sonntag stärkste Partei. Die CDU/CSU stürzte nach 16 Jahren Regierung von Kanzlerin Angela Merkel mit Armin Laschet auf ein Rekordtief. Trotzdem reklamierte am Wahlabend nicht nur Scholz, sondern auch Laschet den Auftrag zur Regierungsbildung für sich. Beide streben eine Koalition mit Grünen und FDP an. Die wollen jetzt erst einmal untereinander reden.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

Strahlender Wahlsieger SPD

Nach dem vorläufigen Wahlergebnis gewinnt die SPD knapp mit 25,7 Prozent (2017: 20,5). Sie schafft damit einen steilen Aufschwung, noch im Frühsommer hatte sie in Umfragen mit rund 15 Prozent auf Platz drei gelegen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht einen klaren Auftrag für seine Partei. Viele Wählerinnen und Wähler hätten deutlich gemacht, dass sie einen "Wechsel in der Regierung" wollten und der nächste Kanzler Olaf Scholz heißen solle, sagte er. Es gilt als wahrscheinlich, dass der bisherige Vizekanzler und Finanzminister ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP anstrebt, wie es in Rheinland-Pfalz seit 2016 regiert.

Historische Pleite für Union

Die Union dagegen erlebt ein historisches Debakel, sie kommt nur noch auf 24,1 Prozent (32,9). Aber auch Laschet will trotz seiner Niederlage versuchen, sich mit Grünen und FDP auf eine Koalition zu verständigen. Die CDU/CSU werde alles daran setzen, eine Regierung unter ihrer Führung zu bilden, sagte der CDU-Chef. "Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition, die unser Land modernisiert."

Auch für CSU-Chef Markus Söder ist das Ergebnis zum Ende der Ära Merkel ein schwerer Schlag. Nach Auszählung aller Wahlkreise stürzt die CSU auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 bei einer Bundestagswahl. Sie erreicht in Bayern nur noch 31,7 Prozent (2017: 38,8), das entspricht 5,2 Prozent bundesweit. Dennoch betonte Söder: "Wir glauben fest an die Idee eines Jamaika-Bündnisses."

Grüne und FDP als Königsmacher

Deutschland steht nun vor einer schwierigen Regierungsbildung. Einzig mögliches Zweierbündnis wäre eine neue große Koalition, die aber weder SPD noch Union wollen. Deshalb dürfte es zum ersten Mal seit den 50er Jahren ein Dreierbündnis im Bund geben. Rechnerisch möglich wären damit sowohl eine Ampel-Koalition (SPD, Grüne und FDP) als auch ein Jamaika-Bündnis (Union, Grünen und FDP).

Die Grünen erzielen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr bislang bestes Ergebnis im Bund, bleiben mit 14,8 Prozent (8,9) aber hinter den Erwartungen zurück. Grünen-Chef Robert Habeck hielt seiner Partei alle Optionen offen. Man habe "gute Chancen, stark in die nächste Regierung zu gehen", sagte er. "Wir wollen regieren." Baerbock sagte: "Es geht ja nicht um die Mittel, sondern es geht um das Ziel, was am Ende erreicht werden muss."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die FDP verbessert sich auf 11,5 Prozent (10,7). FDP-Chef Christian Lindner bekräftigte am Abend seine Präferenz für eine Koalition mit Union und Grünen. "Die inhaltliche Nähe zwischen Union und FDP ist die größte", sagte er. Zugleich betonte er, demokratische Parteien sollten Gespräche nie ausschließen. Lindner schlug vor, dass sich die Liberalen vorab mit den Grünen treffen, um Schnittmengen und Streitpunkte auszuloten.

AfD stark im Osten

Die AfD kam bei der Bundestagswahl auf 10,3 Prozent und blieb damit unter ihrem Ergebnis von 2017, als sie 12,6 Prozent der Stimmen erhalten hatte. In Thüringen und Sachsen wurde sie aber stärkste Partei. In beiden Ländern steht die AfD im Visier des Landesverfassungsschutzes, in Thüringen wird sie als "gesichert extremistisch" eingestuft und seit dem Frühjahr beobachtet. 

Als Grund für den Erfolg im Osten führte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla an, seine Partei habe dort "die Probleme der Bürger" angesprochen, etwa "sichere Renten" und "soziale Probleme". Chrupalla will sich gemeinsam mit Alice Weidel um den Fraktionsvorsitz der AfD im Bundestag bewerben. Es sei nach dem Ergebnis der Bundestagswahl "folgerichtig", für die Fraktionsspitze zu kandidieren, sagte er am Montag im ARD-"Morgenmagazin".

Linke unter 5 Prozent, aber trotzdem drin

Die Linke rutscht auf 4,9 Prozent (9,2) ab – sie verfehlte damit die Fünf-Prozent-Hürde. Da sie aber drei Wahlkreise direkt gewann, greift die sogenannte Grundmandatsklausel. Das bedeutet, dass die Linke mit der vollen Zahl von 39 Abgeordneten in den Bundestag einzieht, die ihr laut dem Zweitstimmenergebnis zusteht. 

Die Linke-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow führt das schlechte Ergebnis auf Fehler in der Vergangenheit zurück. Das Ergebnis sei "mit Sicherheit nicht in den letzten Wochen entstanden", sagte sie am Sonntagabend in der "Berliner Runde" von ARD und ZDF. Es habe nicht an den Spitzenkandidaten Janine Wissler und Dietmar Bartsch gelegen. "Wir müssen für uns als Linke einige Grundfragen stellen", betonte Bartsch.

Kuriosum SSW

Erstmals seit rund 70 Jahren zieht der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) mit einem Abgeordneten wieder in den Bundestag ein. Die Partei der dänischen Minderheit und der nationalen Friesen hatte zum ersten Mal seit 60 Jahren wieder an einer Bundestagswahl teilgenommen. Sie ist als Partei der nationalen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde ausgeschlossen und musste nur so viele Stimmen gewinnen, dass ihr nach dem Berechnungsverfahren ein Sitz zusteht. Gewählt werden konnte der SSW nur in Schleswig-Holstein.

Größter Bundestag aller Zeiten

Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern sich damit erheblich. Die SPD kommt demnach auf 209 Sitze, bei der CDU sind es 151 und bei der CSU 45 – die Union hat also insgesamt 196 Mandate. Die Grünen können 118 Abgeordnete ins neue Parlament schicken, die FDP 92 und die AfD 83. Immerhin 39 Sitze gehen an die Linke und einer an den SSW.

Insgesamt werden dem Bundestag mehr Abgeordnete angehören als je zuvor. Laut Bundeswahlleiter gibt es 735 Abgeordnete – damit wird die bisherige Rekordzahl von 709 Parlamentariern in der abgelaufenen Legislaturperiode noch übertroffen. Die Wahlbeteiligung lag mit 76,6 Prozent auf dem Niveau der vergangenen Wahl (76,2).

DPA · AFP
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