Bundeswehr in Afghanistan Politik nimmt Ausrüstung unter die Lupe

Erneuter tödlicher Zwischenfall in Afghanistan: Nato-Truppen haben versehentlich vier Zivilisten getötet. Die Rufe nach einer besseren Ausrüstung der Bundeswehr werden lauter. Der Auswärtige Ausschuss will nun den Vorwürfen nachgehen.

Bei einem Luftangriff der Nato sind im Süden Afghanistans erneut vier Zivilisten ums Leben gekommen. Wie die Internationale Schutztruppe Isaf am Dienstag mitteilte, beschossen Kampfflugzeuge in der Provinz Helmand ein Gehöft, in dem sich radikal-islamische Taliban verschanzt hatten. Als Bodentruppen anschließend in die Gebäude vorgedrungen seien, hätten sie neben vier getöteten Aufständischen auch vier tote Zivilisten entdeckt, darunter zwei Frauen und ein Kind. Den Einheiten sei nicht bewusst gewesen, dass sich Zivilisten in dem Gebäude aufhielten, als sie den Luftangriff angefordert hätten, hieß es. Bei dem Angriff wurden den Angaben zufolge auch vier mutmaßliche Rebellen getötet. Der Vorfall werde untersucht, so die Isaf.

Bereits am Montag hatte die Nato die Verantwortung für den Tod von fünf Zivilisten eingestanden, darunter auch drei Frauen. Die Zivilisten seien bereits Mitte Februar bei einem Einsatz in der Provinz Paktia getötet worden.

"Man kann sich nicht als einzelnes Land davonmachen"

In Deutschland ist unterdessen eine Diskussion über Mängel in der Ausbildung und Ausrüstung der Bundeswehr entbrannt. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, will Vorwürfen nachgehen, wonach die Bundeswehr im Einsatz unter Ausrüstungsmängeln leidet. Der CDU-Politiker sagte am Dienstag, als "militärische Laien" müssten sich Politiker allerdings auf das Urteil des Militärs verlassen. Trotz des jüngsten tödlichen Anschlags auf die Bundeswehr bei Kundus hält Polenz an dem internationalen Einsatz in Afghanistan fest. Man könne "sich nicht einfach als einzelnes Land davonmachen".

Der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD) hatte der "Bild"-Zeitung nach dem schweren Gefecht am Karfreitag gesagt, ihn hätten Soldaten darauf hingewiesen, dass es Defizite bei der Ausbildung gebe. Er habe dies auch bei der Vorstellung seines Jahresberichts Mitte März angesprochen.

Polenz sagte im ZDF-Morgenmagazin, er gehe grundsätzlich davon aus, dass die Bundeswehr-Soldaten im Einsatz gut ausgebildet und gut ausgerüstet seien: "Und ich finde, die Politik ist auch gut beraten, wenn sie sich jetzt nicht hier als Ersatz-Feldherr aufspielt, sondern sich auf das Urteil und natürlich auch auf die Forderungen der Militärs verlässt." Ihm sei nicht bekannt, dass konkrete Forderungen der Bundeswehr nach Ausrüstung bislang nicht berücksichtigt worden seien. Entsprechender Kritik ehemaliger Soldaten werde man "sicherlich nachgehen".

Den Einsatz am Hindukusch verteidigte Polenz: "Es geht in Afghanistan letztlich um die internationale Sicherheit und damit auch um die deutsche Sicherheit." Man wisse durch die Anschläge in London und Madrid, dass Al-Kaida Afghanistan zur Vorbereitung und "als Ruheraum für terroristische Anschläge weltweit genutzt hat".

"Es geht nicht um Brunnen bohren"

Beim Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan sind seit 2002 bislang 39 deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Der Parlamentarische Verteidigungs-Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) räumte ein, Politik und Öffentlichkeit hätten sich in den ersten Jahren des Einsatzes "etwas vorgemacht". Es sei "beschönigt worden, dass es in Afghanistan gewalttätige bewaffnete Auseinandersetzungen mit Toten und Gefallenen gibt", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wir führen eine kriegerische Auseinandersetzung. Es geht nicht nur um Brunnen bohren." Zuvor hatte auch Verteidigungsminister Guttenberg gesagt, man könne in Afghanistan "umgangssprachlich" von Krieg sprechen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Der Hinterhalt gegen die deutschen Soldaten sei von langer Hand geplant worden, sagte Schmidt. Er betonte mit Blick auf den Einsatz am Hindukusch: "Wir wollen diese Auseinandersetzung so bald wie möglich beenden, das heißt, so bald es die Chance zur Übergabe der Verantwortung an die Afghanen gibt." Derzeit setzt die Bundeswehr bis zu 5350 Soldaten in Afghanistan ein.

Zivile Opfer bei Einsätzen der internationalen Truppen sind in Afghanistan ein hochsensibles Thema. Vor allem zwischen Washington und Kabul kommt es deshalb immer wieder zu Spannungen. Der Oberbefehlshaber der US- und Nato-Truppen in Afghanistan, Stanley McChrystal, hatte im vergangenen Jahr versprochen, mehr für den Schutz der Zivilisten zu tun.

"Aus dem Aufstand würde Widerstand"

Für die umstrittene Rede des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai äußerte Polenz Verständnis. Sie sei "per se nicht problematisch gewesen". Man müsse sehen, dass Karsai innenpolitisch "unter sehr starkem Druck" stehe - durch den Vorwurf der Wahlfälschung und durch die wachsende Stärke der Taliban. Polenz befand es für "schon richtig", dass Karsai sich darum bemühe, vor einer größeren Nato-Operation in Kandahar die Zustimmung der afghanischen Bevölkerung zu gewinnen.

Karsai wurde von einem afghanischen Abgeordneten mit den Worten zitiert, "wenn ich unter ausländischen Druck komme, könnte ich mich den Taliban anschließen". Er habe gesagt, "aus dem Aufstand würde dann Widerstand".

DPA
AFP/DPA/APN/ott