Nach der Bekanntgabe weiterer Standortschließungen bei der Bundeswehr mehren sich die Forderungen nach einer Abschaffung der Wehrpflicht. Einflussreiche Sozialdemokraten wollen nach Informationen der "Bild"-Zeitung auf dem Parteitag im Herbst 2005 einen Antrag durchbringen, mit dem die Bundeswehr in eine Berufsarmee umgewandelt wird. Auch mehrere Grünen-Politiker forderten ein Ende der Wehrpflicht. Verteidigungsminister Peter Struck ist jedoch gegen solche Pläne.
"Wer die Wehrpflicht abschaffen will, muss wissen, dass bis zu 60 weitere Standorte geschlossen werden müssen", sagte Struck der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" und fügte hinzu: "Ich werde weiter für die Wehrpflicht kämpfen." An der geplanten Schließung von 105 Bundeswehrstandorten wolle er aber trotz aller Proteste festhalten: "Die Stationierungspläne sind alternativlos."
Junge SPD-Abgeordnete fordern Abschaffung
Rückhalt erhielt Struck vom Vorsitzenden des verteidigungspolitischen Ausschusses im Bundestag, Reinhold Robbe. "Die Wehrpflicht muss bleiben", sagte Robbe der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Durch die Abschaffung der Wehrpflicht entstehen 3,5 bis 7 Milliarden Euro Mehrkosten im Jahr", sagte der SPD-Politiker. Der Erhalt der Wehrpflicht sei bedeutend kostengünstiger.
Nach Ansicht der Grünen-Vorsitzende Claudia Roth ist die Wehrpflicht sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar. Da künftig maximal nur noch 40.000 junge Männer oder etwa zehn Prozent eines Jahrgangs eingezogen würden, könne zudem von einer allgemeinen Wehrpflicht keine Rede mehr sein, schrieb Roth für die "Bild am Sonntag" in einem Gastbeitrag. "Ich bin zuversichtlich, dass sich auch in der SPD die Einsicht durchsetzen wird, dass die gegenwärtige Auswahl-Wehrpflicht keinen Bestand haben kann."
Die Junge Generation in der SPD veröffentlichte im Internet einen Aufruf zur Abschaffung der Wehrpflicht, der unter anderem von Vorstandsmitglied Niels Annen, dem Juso-Bundesvorsitzenden Björn Böhning, den Landesvorsitzenden des Saarlandes und Thüringens Heiko Maas und Christoph Matschie und Präsidumsmitglied Andrea Nahles unterzeichnet wurde.
Zahl der Reservisten soll drastisch reduziert werden
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, begrüßte die Initiative der SPD-Politiker. "Die Wehrpflicht ist rechtlich bereits jetzt ein untotes Wesen. Sie geistert noch durch die Verfassungsrealität, obwohl ihre Erforderlichkeit und ihre verfassungsrechtliche Legitimation längst entfallen sind", erklärte Beck am Samstag in Berlin.
Der sicherheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Günther Nolting, forderte die Grünen auf, den Worten Taten folgen zu lassen. Die Liberalen forderten seit langem die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht und würden jetzt erneut einen entsprechenden Antrag im Bundestag stellen. Bislang hätten sich die Grünen immer gegen solche Vorstöße der FDP gestellt.

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Derweil berichtet der "Focus", dass die Bundeswehr auch die Zahl der Reservisten deutlich reduzieren wolle. An Stelle der derzeit fast 300.000 Reservisten sollten künftig nur noch rund 80.000 eingeplant werden. Zur Begründung der Planungen sagte der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Generalleutnant Hans-Heinrich Dieter: "Es ist längst überfällig, dass wir uns auf unsere wahrscheinlichen Einsätze konzentrieren und unsere Strukturen darauf ausrichten."
AP