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Vor Bund-Länder-Gipfel Söder und Kretschmer warnen vor "Öffnungsrausch" und fordern Schnelltest-Konzept

Kurz vor den Bund-Länder-Beratungen werben die Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen für ein behutsamen Vorgehen bei möglichen Lockerungen der Anti-Corona-Maßnahmen. Es dürfe keinen "Blindflug in die dritte Welle hinein" geben. 

Vor den neuen Bund-Länder-Beratungen über den weiteren Kampf gegen das Coronavirus haben die Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen eindringlich vor übereilten Öffnungsschritten gewarnt. Es dürfe keinen "Öffnungsrausch" geben und keinen "Blindflug in die dritte Weller hinein", die Politik dürfe nicht die Nerven verlieren, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) am Montag bei einer Online-Pressekonferenz mit seinem sächsischen Kollegen Michael Kretschmer (CDU). Kretschmer mahnte ebenfalls, es könne nun nur um kleine Öffnungsschritte gehen.

Söder und Kretschmer verwiesen auf die sich weiter ausbreitende Virusmutation. "Die Mutation übernimmt", sagte Söder und warnte: "Auf die derzeitige Inzidenz-Tabelle kann keiner ein festes Haus bauen." Kretschmer betonte: "In dieser Zeit der steigenden Infektionen kann doch jetzt keine große Lockerung erfolgen. Es ist doch vollkommen klar, dass das das Falscheste ist." Es könne also jetzt nur um kleine Schritte gehen – und um eine Teststrategie, die Klarheit schaffe. "Aus dem System der pauschalen Kontaktvermeidung müssen wir kommen in ein System der sicheren Kontakte", sagte Kretschmer. Das gehe aber nur mit einem Schnelltest-Konzept. Lockerungsschritte in der Kultur, im Sport, in der Wirtschaft, in der Bildung müsse man daran binden.

Söder warnte aber: "Schnelltests sind eine echte Hoffnungschance – aber Schnelltests sind wohl keine Schnellwaffe, die bereits ab nächster Woche umfangreich zur Verfügung steht." Er forderte den Bund deshalb dringend auf, bis Mittwoch etwas zu dem Thema vorzulegen. Am Mittwoch wollen sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu neuen Beratungen treffen.

Söder sagte mit Blick darauf: "Wir müssen die richtige Balance finden zwischen Vorsicht und Öffnen. Und wir dürfen auf keinen Fall die Nerven verlieren." Es brauche ein abgestimmtes, ausbalanciertes Öffnen mit Leitplanken und Sicherheitspuffer. "Wir sind nicht gegen Öffnungen, wir sind für ein ausbalanciertes Öffnungssystem." Dabei müsse es regionale Differenzierungen geben – aber auch eine einheitliche Philosophie und keinen "Wildwuchs" in Deutschland. Es werde auch darum gehen, Zeitachsen zu definieren, etwa bis Ostern. Entscheidend seien aber immer die Corona-Zahlen, nicht Zeitpunkte.

Söder bekräftigt Forderung nach neuem Corona-Impfkonzept

Bayerns Ministerpräsident Söder bekräftigte unterdessen seine Forderung nach einer Änderung des Impfkonzepts. Spätestes im April, wenn mehr Impfstoff komme, müsse jede Dose verabreicht werden, "wo es nur geht", sagte er. Deshalb müsse man "das System verändern": Der Astrazeneca-Impfstoff solle neben den Impfzentren auch von Hausärzten, Betriebsärzten und Schulärzten verabreicht werden. Es brauche deshalb eine schnelle Änderung der Impfverordnung des Bundes.

Söder regte etwa auch an, ältere Schüler vor den Abiturprüfungen zu impfen – das würde dort "ein hohes Maß an Sicherheit" bringen. Und Kretschmer äußerte den Wunsch, der gesamten Bevölkerung über 18 Jahren in Hotspot-Regionen an der Grenze bald ein Impfangebot machen zu können. Neben den Kriterien der Ständigen Impfkommission müssten also weitere Kriterien dazukommen – auch darüber müsse man am Mittwoch reden. Aus einer rechtlich fixierten Priorisierung könnte nach Worten Söders am Ende eine "Empfehlung" werden, die dann angewandt werde. "Nur so können wir den dramatischen Rückstand, den Deutschland beim Impfen hat, aufholen", sagte Söder. Hier müsse man besser werden.

Bayern und Sachsen halten besonderes Vorgehen in Corona-Hotspots für notwendig

Bayern und Sachsen fordern angesichts der hohen Inzidenzwerte in der Grenzregion zu Tschechien auch ein besonderes Vorgehen in den Hotspots. Mit den derzeitigen Werkzeugen allein werde die Politik der Situation vermutlich "nicht Herr", sagte Ministerpräsident Kretschmer. "Wir brauchen ein besonderes Impfregime für Hotspots." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, das "Herz Europas" sei gerade besonders betroffen.

Sachsen und Bayern hatten sich auf Initiative des sächsischen Ministerpräsidenten auf ein abgestimmtes Vorgehen in ihren Grenzregionen zu Tschechien entschieden, auch das ebenfalls an der Grenze zu Tschechien liegende Thüringen unterstützt die Allianz.

Kretschmer nannte als Beispiel der geforderten Sonderregeln beim Impfen den Vogtlandkreis, wo die Sieben-Tage-Inzidenz aktuell bei rund 230 liegt. In dem Kreis, der an Tschechien und Bayern grenzt, solle allen Erwachsenen über 18 Jahre ein Impfangebot gemacht werden, sagte Kretschmer. Es müssten bei den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission weitere Kriterien hinzukommen. Dies müsse auch Thema bei den Beratungen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch sein, betonte der Ministerpräsident.

Bayern und Sachsen wollen Tschechien angesichts der dortigen hohen Inzidenzwerte mit Schnelltests, Bettenkapazitäten in Krankenhäusern und Impfstoffdosen unter die Arme greifen. Auch Thüringen bot Hilfe an. Dies sei ein Akt der Solidarität in der Grenzregion, sagte Söder in der Videopressekonferenz mit Kretschmer.

Söder sagte, das Dreieck aus Sachsen, Bayern und Tschechien sei das "Herz Europas", deswegen müsse es hier "eine besondere Unterstützungsleistung" geben. Es werde nun einen engen Austausch geben, um ein einheitliches Lagebild zu bekommen. Söder hob die Vorteile von Impfungen der tschechischen Pendler hervor. "Jeder, der geimpft ist, gibt uns ein Stück Sicherheit." Es müsse so viel wie möglich getestet und geimpft werden, um zusammen mit Grenzkontrollen die Lage unter Kontrolle zu bekommen.

Mitte Februar war Tschechien wie auch das österreichische Bundesland Tirol als Virusvariantengebiet eingestuft worden. Es gibt seitdem strenge Grenzkontrollen. Ausnahmen gelten unter bestimmten Voraussetzungen unter anderem für Pendler, die in Sachsen und Bayern arbeiten. Wenn Deutschland die Impfung der Pendler unterstütze, dann "nützt uns das auch", sagte Söder mit Blick unter anderem auf deren Arbeit in deutschen Kliniken. Söder setzt dabei auch auf Hilfe durch den Bund.

fs DPA AFP

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