Debatte um Wehrpflicht Pistorius für allgemeine Dienstpflicht – Mehrheit der Deutschen laut Umfrage dagegen

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) liebäugelt mit der Idee einer allgemeinen Dienstpflicht
© Michael Matthey / DPA
Der russische Angriff auf die Ukraine befeuert die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Während die Bundeswehr die Idee begrüßt, ist die Stimmung in der Bevölkerung gespalten.

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius die Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht wieder angestoßen. Er sehe gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten. "Sie könnte vor Augen führen, wie wichtig diese Einrichtungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.

Unterstützung bekommt Pistorius vom Reservistenverband der Bundeswehr. Verbandschef Patrick Sensburg sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die ureigenste Aufgabe der Bundeswehr sei die Landesverteidigung. "Das erfordert anderes Material und viel mehr Personal." Realistisch betrachtet würden für die Verteidigung der Bundesrepublik eine aktive Truppe von 350.000 Soldaten sowie etwa 1,2 Millionen Reservisten benötigt, legte Sensburg dar. Derzeit habe Deutschland aber nicht einmal 200.000 Soldaten und 30.000 Reservisten, die regelmäßig übten. "Es wird ohne Wehrpflicht meiner Meinung nach also nicht gehen", schloss der Präsident des Reservistenverbands.

Greenpeace-Umfrage: Deutsche bei Rückkehr zu Wehrpflicht gespalten

In der Bevölkerung gibt es nach einer aktuellen Umfrage jedoch keine Mehrheit für eine allgemeine Wehrpflicht von Männern und Frauen. In der Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Kantar sprachen sich 46 Prozent der Befragten dafür aus, 50 Prozent dagegen, wie die Organisation Greenpeace als Auftraggeber am Donnerstag mitteilte. Im Osten war die Zustimmung dabei geringer als im Westen. Greenpeace wollte vor der Münchner Sicherheitskonferenz ein Meinungsbild einholen.

Allerdings gab es in der Gruppe der Menschen im Alter bis 29 Jahren mehrheitlich Zustimmung (Ja: 58 Prozent) für eine allgemeine Wehrpflicht. Zustimmung gab es demnach bei Anhängern der FDP (69 Prozent), der Union (58 Prozent), der SPD (55 Prozent) sowie noch knapp bei der AfD (50 Prozent), während Anhänger von Grünen und Linken mehrheitlich dagegen waren. Auf die Frage "Möchten Sie persönlich Wehrdienst leisten?" antworteten junge Männer unter 30 Jahren zu 55 Prozent mit Ja, Frauen der gleichen Altersgruppe mit 67 Prozent mehrheitlich mit Nein.

Politisch sprach sich eine Mehrheit der Befragten für eine diplomatische Führungsrolle Deutschlands in der EU aus (Ja: 75 Prozent, Nein: 22 Prozent). Auf die Frage nach einer militärischen Führungsrolle antworteten dagegen nur 31 Prozent mit Ja, aber 64 Prozent mit Nein.

"Menschen sehen Fokus auf militärischer Dominanz skeptisch"

Auf die Frage, ob die Bundeswehr zusätzlich zum regulären Bundeswehrhaushalt und dem 100 Milliarden Euro Sondervermögen weitere 200 Milliarden Euro erhalten sollte, sagten 43 Prozent Ja, aber 48 Prozent Nein. Für eine Erhöhung des Bundeswehrhaushalts über Schulden oder auch über Steuererhöhungen gab es keine Mehrheiten. Erwartet wurde aber vor allem (66 Prozent), dass höhere Ausgaben für die Bundeswehr zu Einschnitten in anderen Bereichen wie Klimaschutz oder Soziales führen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Die Ergebnisse zeigen, dass die Menschen in Deutschland den Fokus auf militärischer Dominanz skeptisch sehen", sagt Thomas Breuer, Leiter des Bereichs Frieden bei Greenpeace Deutschland, "stattdessen wünschen sie sich eine diplomatische Führungsrolle Deutschlands". Greenpeace wendet sich dagegen, nach dem Sondervermögen noch weitere Extramittel in die Bundeswehr zu investieren. Dieses Geld werde sonst für andere wichtige Bereiche wie Klimaschutz fehlen.

Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Der russische Angriff auf die Ukraine hatte zuletzt wiederholt eine Debatte um diese Frage ausgelöst.

DPA
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