Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) war am Rosenmontag als "Pappkameradin" im rheinischen Karneval dabei. In Köln präsentierten die Jecken die Chefin der rot-grünen Minderheitsregierung auf dem Schild des gallischen Häuptlings Majestix - in einer wenig stabilen Lage. Die als Römer dargestellte Opposition wartete nur darauf, dass Häuptling Kraft abstürzt.
Krafts politischer Balanceakt könnte noch schwieriger werden, wenn am Dienstag kommender Woche das Landesverfassungsgericht sein Urteil über den Nachtragshaushalt 2010 spricht und der darin enthaltenen Rekordverschuldung das Etikett "verfassungswidrig" anheften sollte. Die SPD ist deshalb am Wochenende vorsorglich in die Offensive gegangen. Wenn CDU und FDP die Auseinandersetzung mit Rot-Grün weiter vor Gericht suchen sollten, werde die SPD Neuwahlen anstreben, drohte SPD-Fraktionschef Norbert Römer.
Dabei hatte Kraft, die derzeit als Bundesratspräsidentin Israel besucht, eine vorzeitige Auflösung des Landtags noch vor kurzem für wenig wahrscheinlich erklärt. "Für Neuwahlen müssen sich 91 Hände im Landtag heben. Ich sehe dies zur Zeit nicht", sagte sie, nachdem die Münsteraner Richter den Nachtragshaushalt per einstweiliger Anordnung teilweise gestoppt hatten. Kraft, die am Wochenende Römer für seinen Vorstoß Rückendeckung gegeben hatte, wollte sich am Montag nicht äußern.
Mit dem Kurswechsel versucht die Koalition, beim Thema Neuwahl das Heft in die Hand zu bekommen. Die rot-grüne Koalition müsse "selbst entscheiden, ob und wann sie einen solchen Schritt für richtig hält", beschrieb Krafts Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) die Strategie. Die Koalition dürfe sich "nicht von taktischen Spielchen der CDU abhängig machen".
In Düsseldorf ist der Poker um die beste Ausgangsposition für eine Neuwahl eröffnet. Rot-Grün will der Opposition die Verantwortung für eine Auflösung des Landtags zuschieben. Die Wähler müssten notfalls erneut entscheiden, weil CDU und FDP mit "Destruktion und Blockade" eine Politik für die Zukunft des Landes verhindern wollten, sagte Löhrmann. Für die CDU ist eine Neuwahl dagegen die Konsequenz aus dem Scheitern von Rot-Grün in der Haushaltspolitik.
CDU-Generalsekretär Oliver Wittke wiederholte deshalb am Montag noch einmal die Position seines Landsvorsitzenden Norbert Röttgen. Vor einer Neuwahl müsse es "ein Dokument des Scheiterns" der Koalition geben. "Die SPD muss entweder vor dem Verfassungsgericht scheitern, sie muss im Parlament scheitern oder sie muss ihr Scheitern selbstständig eingestehen", sagte er im WDR-Hörfunk.
Alleine können SPD und Grüne die Auflösung des Landtags jedenfalls nicht durchsetzen. Dazu fehlt der Koalition, wie für jedes Gesetzesvorhaben, eine Stimme im Parlament.
Die Linke hat bereits abgewunken, dafür schnell die Hand zu reichen. "Eine erneute Klage von CDU und FDP vor dem Verfassungsgericht ist kein Grund für Neuwahlen", ließ Fraktionschef Wolfgang Zimmermann wissen. Die vorzeitige Auflösung des Landtags sei nur zu rechtfertigen, wenn der Landtag den Haushalt 2011 ablehne. Bislang hat die Linke Rot-Grün aber über alle parlamentarischen Klippen geholfen. Zimmermanns Neigung, diese Schlüsselposition aufzugeben, scheint wenig ausgeprägt.